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Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler

als Moses, der Weise, das gesamte Volk der Seele[1] zu Frömmigkeit und zur Ehrung Gottes aufruft und es über die Gebote und hochheiligen Gesetze belehrt – er sagt nämlich: „Wann es zu einem Streite zwischen ihnen kommt und sie kommen vor mich, dann richte ich zwischen dem einen und dem andern und lehre die Gebote Gottes und sein Gesetz“ (2 Mos. 18, 16) –, da kommt der Scheinweise, Jithro, der ausgeschlossen ist von der Weihe der göttlichen Güter, aber mit Menschlichem und Vergänglichem reichlichen Umgang hat, und will das Volk führen und Gesetze vorschreiben im Widerspruch zu denen der Natur; denn er berücksichtigt nur den Schein, diese aber beziehen sich auf das Sein.[2] 38 Und trotzdem fühlt Moses auch mit ihm Mitleid und Erbarmen wegen seiner großen Verirrung und glaubt, er müsse ihn eines Besseren belehren und ihm zureden, er solle von den eitlen Wahnvorstellungen abstehen und mit Festigkeit der Wahrheit folgen; 39 denn die heilige Schrift sagt: „Nachdem wir aufgebrochen sind“[3] und den eitlen Dünkel der Seele abgehauen haben, übersiedeln wir an den Ort des Wissens, den wir nach den Aussprüchen und Zusagen Gottes einnehmen:[4] „Komm mit uns und wir werden dir wohltun“ (4 Mos. 10, 29); abwerfen wirst du nämlich die so schädliche Einbildung und gewinnen die so nützliche Wahrheit. 40 Aber mag ihm auch mit noch so verlockenden Worten zugesprochen werden, er wird sie doch gering achten und wird auf keinen Fall je dem Wissen folgen,


  1. Bildhaft wird die Seele vorgestellt als bevölkert oder bewohnt von guten Gefühlen und Strebungen oder von Leidenschaften und den eindringenden Sinneswahrnehmungen (αἰσθήσεις); erstere werden als λεὼς τῆς ψυχῆς, letztere gewöhnlich als ὄχλος τῆς ψυχῆς bezeichnet.
  2. Der Gegensatz δοκεῖν: εἶναι, der auf Plato zurückgeht, begegnet bei Philo öfter, z. B. Wand. Abr. § 12. 40. 87. 88. 96 De fuga et invent. § 156. Auf Jithro wird er, wie an unserer Stelle, angewandt De mut. nom. 104. Nach dem Bibeltext 2 Mos. 18, 24 folgte Moses dem Jithro; das bleibt aber unberücksichtigt, weil es zu Philos Deutung nicht paßt.
  3. Philo spielt hier mit dem Doppelsinn des Zeitwortes ἐξαίρειν. An der Bibelstelle (4 Mos. 10, 29) heißt es „aufbrechen“; er greift aber auch auf die § 14 und 28 behandelte Bedeutung „entfernen, wegschaffen“ zurück, wie die Verbindung des Zeitwortes mit ἀποκόψαντες beweist.
  4. Damit meint der Schriftsteller die Worte desselben Bibelverses: „Wir brechen auf nach dem Orte, von dem der Herr sprach: ihn werde ich Euch geben.“ Über diese Eigentümlichkeit der Zitate Philos vgl. Adler, Wiener Studien XLIII 94 Anm. 1.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloEbrGermanAdler.djvu/021&oldid=- (Version vom 8.6.2018)