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Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler

sondern wird zurückkehren, ja zurücklaufen zu seinem eigenen hohlen Dünkel; denn es heißt, er sagte zu ihm: „Ich will nicht mitgehen, sondern nach meinem Lande und zu meiner Sippe“[1] (4 Mos. 10, 30), das heißt zu dem Unglauben, der den irrwähnenden Männern verwandt ist, da er den Glauben nicht gelernt hat, der den wahrhaftigen befreundet ist.[2] [11] 41 Denn auch mit den Worten, die er in der Absicht, einen Beweis seiner Frömmigkeit zu geben, ausspricht: „Jetzt habe ich erkannt, daß der Herr groß ist neben[3] allen Göttern“ (2 Mos. 18, 11), klagt er sich bei (allen) urteilsfähigen Männern der Unfrömmigkeit an. 42 Sie werden ihm nämlich entgegnen: Unfrommer Frevler, jetzt erst bist du zu dieser Erkenntnis gelangt, früher hast du nichts gewußt von der Majestät des Lenkers des Alls? Gab es denn etwas Ehrwürdigeres als Gott, auf das du vorher gestoßen bist? Oder sind etwa nicht den Kindern die Vorzüge der Eltern überhaupt und ein für allemal vor allen andern bekannt? Ist also vielleicht gar der Gründer und Vater des Alls nicht sein lenkender Herrscher?[4] Wenn du daher, wie du behauptest, jetzt erst diese Kenntnis besitzest, so besitzest du sie auch jetzt nicht, weil du sie nicht vom Anbeginn deiner Erschaffung hattest. 43 Nicht minder aber dadurch wirst du als Heuchler entlarvt, daß du Unvergleichbares miteinander vergleichst, indem du sagst, neben allen Göttern groß sei die Majestät des Seienden, die du erkannt haben willst. Würdest du nämlich in Wahrheit das Seiende kennen, du würdest nie auf die Vermutung verfallen, einer der anderen sei ein selbstherrlicher Gott. 44 Wie nämlich die Sonne bei ihrem Aufgange [364 M.] die Sterne unseren Augen verbirgt, indem sie die Fülle ihres Lichtes auf sie herabgießt, so kann das Auge der Seele, wenn in ihm die unvermischten, reinen und weithin glänzenden geistigen Strahlen des lichtbringenden Gottes aufblitzen, nichts anderes mehr erblicken; denn sobald ihm einmal das Wissen des Seienden aufleuchtet‚ überstrahlt es alles so, daß es auch die Dinge verdunkelt, die an sich


  1. Die Übertragung des hebr. Wortes für Geburtsort in der LXX: γενεά faßt Philo in der Bedeutung: Sippe, Familie, Verwandtschaft.
  2. Die Änderung der Überlieferung ψευδοδοξοῦσαν und ἀληθεύουσαν in die Dative ψευδοδοξοῦσιν und ἀληθεύουσιν habe ich Wien. Stud. XLIII 94 begründet.
  3. Gemeint ist, wie der MT zeigt, größer als alle Götter. Philo preßt aber den Ausdruck. Vgl. § 43.
  4. Dies ist der zweite Satz eines Syllogismus: Wir kennen die Vorzüge der Eltern zuerst; Gott aber ist Vater des Alls; also muß man ihn vor anderen kennen oder gar nicht.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloEbrGermanAdler.djvu/022&oldid=- (Version vom 8.6.2018)