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Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler

die hellsten schienen.[1] 45 Mit den fälschlich genannten Göttern den wahren Gott zu vergleichen würde sich wohl niemand unterfangen, würde er ihn wirklich und wahrhaftig kennen; nur die Unkenntnis des Einzigen hat den Wahn erzeugt, als gäbe es viele Götter, die doch in Wahrheit nicht existieren. [12] 46 Derselben Gesinnung[2] ist jeder, der den Wert der seelischen Güter nicht anerkennt, dagegen die körperlichen und äußerlichen Güter bewundert, die zur Täuschung der leicht verführbaren Sinne mit bunten Farben und Formen geziert sind. 47 Einen solchen Menschen nennt der Gesetzgeber Laban, der die wahren Gesetze der Natur nicht sieht, die falschen aber, die bei den Menschen im Brauche stehen, verzeichnet, indem er sagt: „Es wird nicht so an unserem Orte gehalten, die Jüngere wegzugeben vor der Älteren“ (1 Mos. 29, 26). 48 Dieser meint nämlich, man müsse die zeitliche Reihenfolge einhalten, indem er es für recht erachtet, daß man zuerst die älteren und dann erst die jüngeren Kinder in die (eheliche) Gemeinschaft führe. Der Ringer um die Weisheit[3] aber weiß, daß es auch zeitlose Wesen gibt und erstrebt das Geringere zuerst und darnach erst das Ehrwürdigere.[4] Dabei kann er sich auf die Übereinstimmung


  1. Den Vergleich mit der Sonne, und namentlich die Natur der Wesen, welche durch das aufstrahlende Wissen des Seienden in der Seele verdunkelt werden, machen die Darlegungen Philos De somniis I § 87–115ff. verständlicher. Vgl. Leisegang, Der hl. Geist I 211; 212, 1 und Zeller, Die Philos. d. Griechen III 2³ S. 367, 2.
  2. Die Überschätzung der menschlichen Konvention (οἱ παρ` ἀνθρώποις νόμοι) führt durch die Verkennung der ἀλήθεια, wie das Beispiel Jithros zeigte, zu falschen Vorstellungen über Gott und zur Unfrömmigkeit. Dieselbe Verkennung der ἀληθεῖς τῆς φύσεως νόμοι ist es, welche die Bevorzugung der äußeren, körperlichen Güter vor den seelischen zur Folge hat, wie das Beispiel Labans dartun soll. Gerade er hilft dem Schriftsteller, den Übergang vom ontologisch-theologischen Inhalte des Vorhergehenden zum axiologischen des Folgenden zu bewerkstelligen; denn Laban gehört einerseits wie Jithro zu denjenigen, „welche die wahre Ursache nicht kennen und sich auch keine Mühe geben, sie von den Wissenden zu erlernen, und deshalb in Unwissen und Unkenntnis der schönsten Wissenschaft befangen sind, um derentwillen zuerst und allein man das Wissen erringen müßte“ (De fuga et invent. § 8); andererseits hängt Laban am Äußeren, Körperlichen und Sinnfälligen (De somn. I 45, All. Erkl. III 16. 20. 22) und hält dieses für das einzige Gut (Ü. d. Landwirtsch. 42, Ü. d. Nachstell. 4).
  3. D. i. Jakob, der als σοφίας ἀσκητής dem Laban so gegenübersteht, wie vorher (37) Moses, ὁ σοφός, dem δοκησίσοφος Jithro.
  4. Philo gebraucht πρέσβυς (πρεσβύτερος, πρεσβύτατος) nicht nur in der zeitlichen Bedeutung alt, sondern für seine allegorische Auslegung mit Vorliebe in der übertragenen: altersreif, ehrwürdig. Näheres über diesen Bedeutungswandel: Ü. d. Nüchternheit § 7. 18ff.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloEbrGermanAdler.djvu/023&oldid=- (Version vom 8.6.2018)