Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler | |
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läßt.[1] 141 Dies bezeichnet (die Schrift) mit ihren Worten geradezu als „das ewige Gesetz“; sie nimmt nämlich an, in der Natur des Alls sei ein unsterbliches Gesetz veröffentlicht,[2] das die Bestimmung enthalte, eine gesunde und erhaltende Sache sei die Zucht, eine Krankheit und Verderben verursachende die Zuchtlosigkeit. 142 Daneben läßt (die heilige Schrift) auch folgenden Gedanken durchblicken: das wahrhaft Gesetzmäßige ist ohne weiteres ewig; denn auch die rechte Vernunft, die eben das Gesetz ist, ist nicht vergänglich; überlebt ja auch andererseits das Gegenteil, das Gesetzwidrige, wie unter Verständigen unbestritten ist, den Tag nicht und löst sich leicht von selber auf.[3] 143 Gesetz und Zucht haben die Eigentümlichkeit, Unheiliges von Heiligem und Unreines von Reinem zu unterscheiden, so wie umgekehrt Gesetz- und Zuchtlosigkeit, gewaltsam das Widerstreitende zusammenzuführen, indem sie alles durcheinander bringt und verwirrt. [36] Deshalb wird der größte der Könige und Propheten,[4] Samuel, wie die heilige Schrift besagt: „Wein und berauschenden Trank bis zu seinem Ende nicht trinken“ (1 Kön. 1, 11);[5] denn er hat seinen Posten in der Heerordnung des göttlichen Lagers,[6] die er aus Achtung vor dem weisen Feldhauptmanne niemals verlassen wird. 144 Samuel ist wohl nur ein Mensch gewesen, hier wird er aber nicht als das zusammengesetzte Lebewesen[7] aufgefaßt,[8] sondern als Geist, der sich nur über Gottes Dienst
- ↑ Statt κατασκήπτουσα lege ich Cohns Vorschlag ἐγκατασκήπτουσα (Addenda S. XXXIV) der Übersetzung zugrunde.
- ↑ Über die hier vorausgesetzte Lehre vom „ungeschriebenen Gesetz“ vgl. I. Heinemann in Hebrew Union College Annual 1927, 149ff.
- ↑ Philo berührt sich sehr nahe mit der stoischen Quelle der Rechtsphilosophie Ciceros in der Lehre vom „wahren“ Gesetz (im Gegensatz zum Scheingesetz der Ungerechten: Leg. II 13), von seiner Identität mit dem Orthos Logos (Rep. III 33) und seiner Ewigkeit (ebd.). Diesem Gedanken zuliebe mißversteht er αἰώνιον, indem er es prädikativ, statt attributiv faßt.
- ↑ Rhetorische Übertreibung: vgl. dagegen Leben Mosis II 3.
- ↑ Dieser Zusatz der LXX fehlt im MT (Sam. I 1, 11) – Philo zählt nach der LXX vier Bücher der Könige, indem 1. und 2. B. Sam. als 1. und 2. Buch der Könige mitgezählt werden.
- ↑ Etymologische Deutung (s. u.).
- ↑ Nach Plato (Phaedrus 246C) nennt Philo oft den individuellen Erdenmenschen ein Gemengsel oder eine Zusammensetzung aus Körper und Seele; z. B. Ü. Belohnungen u. Strafen § 13, Ü. d. Weltschöpfung § 135, Ü. d. Trunkenh. § 69. 101 u. a.
- ↑ Ebensowenig De somn. I § 254.
Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloEbrGermanAdler.djvu/054&oldid=- (Version vom 21.5.2018)