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(2 Mos. 7, 23), das heißt so viel wie: auf gar nichts,[1] sondern ließ ihn wie ein ungepflegtes Gewächs verdorren und der Unfruchtbarkeit verfallen. 125 Denn diejenigen, die mit sich zu Rate gehen, Erwägungen anstellen und alles sorgfältig prüfen, wetzen und schärfen ihn, und er bringt, wenn er so geübt wird, die ihm eigenen Früchte hervor, Scharfsinn und Verstand, denen die Untrügbarkeit entspringt. Wer aber nicht Betrachtungen anstellt, läßt die Schneide der Einsicht stumpf und schartig werden. 126 Wir wollen aber den wahrhaft Vernunft- und seelenlosen Schwarm solcher Leute nun beiseite lassen und die Schar derer prüfen, die forschen und finden. Da begegnet uns nun sogleich der zwar im politischen Leben stehende,[2] aber gar nicht ruhmgierige Charakter, dessen Streben auf das bessere, von den Tugenden erkorene Geschlecht gerichtet ist, wie er es sucht und findet. 127 Denn es heißt: „Ein Mann fand Joseph, wie er in der Ebene umherirrte, und fragte ihn: „Was suchst du?“ Der antwortete: „Ich suche meine Brüder, melde mir, wo sie weiden.“ Da sagte der Mann zu ihm: „Sie sind von hier fortgezogen. Denn ich hörte sie sagen: Wir wollen nach Dothaïn ziehen.“ Und Joseph zog hinter seinen Brüdern her und [565 M.] fand sie in Dothaïn“ (1 Mos. 37, 15–17). 128 Dothaïn bedeutet „hinlängliches Verlassen“[3] und ist Symbol einer Seele, die nicht nur halbwegs, sondern ganz und gar den nichtigen Meinungen entronnen ist, die mehr weiblichen Bestrebungen als männlichen eigen sind. Deshalb wird sehr treffend von Sarah, der Tugend, gesagt, daß sie „das Weibliche verläßt“ (1 Mos. 18, 11), mit dem wir uns abmühen, die wir dem unmännlichen und wahrhaft weiblichen Leben nachjagen.[4] So „nimmt“ auch nach Moses der Weise, „zu, indem er verläßt“ (1 Mos. 25, 17); ganz natürlich; denn der Verlust der nichtigen Meinung bedeutet eine Zunahme an Wahrheit. – 129 Wenn also jemand, der sich noch im sterblichen, vielfach gemischten und vielgestaltigen Leben aufhält und die materiellen Güter in Fülle besitzt, nach dem besseren, allein auf das Gute schauenden


  1. Philo erklärt, wie er es öfter tut, die Worte οὐδ’ ἐπὶ τούτῳ losgelöst aus dem Zusammenhang, in dem sie in dem Bibelvers stehen.
  2. Joseph ist, wie namentlich in den allegorischen Teilen der Schrift Über Joseph näher begründet wird, Typus des Staatsmannes; als solcher gilt er auch hier, obwohl er sich zur Zeit der Begebenheit, auf die Philo anspielt, noch nicht mit Staatsgeschäften befaßt hatte. I. H.
  3. Etymologie von דֹּתָן‎ unklar. Vielleicht דַּי‎ „genug“ + תְּנוּאָה‎ „Entfremdung, Feindschaft“. I. H.
  4. Vgl. All. Erkl. III § 218, mit Anm.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Flucht und das Finden. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/035&oldid=- (Version vom 21.5.2018)