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Geschlecht forscht und sucht, so verdient er Anerkennung, falls nicht die Traumgebilde und Trugvorstellungen konventioneller und scheinbarer Güter wieder auftauchen und die Oberhand gewinnen. 130 Denn wenn er in unverfälschter seelischer Forschung verharrt, so wird er nicht eher aufhören, den Spuren des Gesuchten nachzugehen und zu folgen, als bis er den Gegenstand seines Verlangens erreicht.[1] 131 Aber bei Schlechten wird er keine Spur davon finden. Weshalb? „Sie sind von hier weggezogen.“ Sie haben unser Treiben aufgegeben und sind an den Ort der Frommen übergesiedelt, der den Schlechten entrückt ist. Der Sprecher dieser Worte ist der wahre Mensch, das Gewissen in der Seele, das, wie es sie zweifeln, forschen und suchen sieht, die Befürchtung hegt, daß sie sich verirren und den rechten Weg verfehlen könnte.[2] [24] 132 Ich bewundere auch die beiden sehr, von denen der eine nach dem in der Mitte zwischen den Extremen Liegenden[3] fragt und spricht: „Siehe hier das Feuer und das Holz, wo ist das Tier für das Opfer?“, der andere darauf antwortet: „Gott wird sich selbst ein Tier für das Opfer ersehen, mein Kind“ und nachher das als Ersatz dargebotene findet: „Siehe da einen Widder, der mit seinen Hörnern im Sabekstrauch[4] festgehalten wird“ (1 Mos. 22, 7. 8. 13). 133 Wir wollen nun zusehen, was die Frage des Suchenden und was die Behauptung des Antwortenden bedeutet, und drittens, was das Gefundene war. Der Sinn der Frage ist etwa dieser: (gegeben ist) die wirkende Ursache, das Feuer; gegeben ist ferner das Leidende, die Materie – das Holz –: wo ist nun das dritte, das Ergebnis? 134 Ein Beispiel: gegeben ist der Geist, ein heißer, feuriger Hauch,[5] ferner die Denkobjekte gleichsam als Stoff: wo ist das Dritte, das Denken? Oder: gegeben sind das Sehorgan und die Farbe: wo ist das Sehen? Und allgemeiner: gegeben sind das Wahrnehmungsvermögen als das prüfende Organ,


  1. Joseph wird wie an unserer Stelle günstig beurteilt All. Erkl. III § 237, im gerade entgegengesetzten Sinne (der hier § 129 Ende angedeutet ist) Über die Nachstellungen § 5ff. (ebenfalls bei der Auslegung von 1 Mos. 37, 13–17) Über die Träume II § 10; beide Auffassungen gehen in der Schrift Über Joseph nebeneinander her.
  2. Zu dieser Deutung von 1 Mos. 37, 15 vgl. Über die Nachstellungen § 10 mit Anm.
  3. Die Wendung erklärt sich aus dem Folgenden.
  4. Sabek, den hebr. Namen für Dickicht: סְבַךְ‎ sahen die LXX fälschlich für den Namen einer Strauchart an. Μ. A.
  5. Die Stoiker definierten die Seele als πνεῦμα ἔνθερμον.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Flucht und das Finden. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/036&oldid=- (Version vom 21.5.2018)