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aber auch die Wahrnehmungsgegenstände als Stoffe: wo ist nun das Wahrnehmen? 135 Auf die Frage gibt ihm der andere nach Gebühr zur Antwort: „Gott wird (es) sich selbst ersehen“; denn das Dritte ist Gottes eigenes Werk. Denn dank dessen Vorsorge vermag der Geist zu begreifen, das Sehvermögen zu sehen und ein jedes Wahrnehmungsvermögen wahrzunehmen.[1] Gefunden wird nun ein Widder, der „festgehalten wird“, das bedeutet: eine Vernunft, die stillehält und sich zurückhält.[2] 136 Denn die beste Opfergabe ist Stillhalten[3] und [566 M.] Zurückhaltung bei Dingen, für die es überhaupt keine Beweise gibt. Denn es läßt sich nur das eine sagen: „Gott wird ersehen“, dem das All bekannt ist, und der es mit dem hellsten Licht, mit sich selbst,[4] erleuchtet. Alles übrige ist unsagbar für die Schöpfung, über die eine große Dunkelheit ausgebreitet ist; im Dunkeln ist es aber am sichersten, sich ruhig zu verhalten. [25] 137 Auch als die (Israeliten) zu erforschen suchten, was es sei, das die Seele ernähre, – „denn“, wie Moses sagt, „sie wußten nicht, was es war“ (2Mos. 16, 15) – da fanden und lernten sie, daß es Gottes Wort und die göttliche Vernunft ist, woher alle Arten von Bildung und Weisheit in ewigem Fluß ausströmen. Das ist die himmlische Nahrung, die in der heiligen Schrift durch den Mund des Schöpfers verkündet wird mit den Worten: „Siehe, ich lasse euch Brot vom Himmel regnen“ (ebd. v. 4); 138 denn in der Tat läßt Gott die himmlische Weisheit auf die gut veranlagten, schaulustigen[5] Seelen herniederträufeln. Wie diese es nun mit großer Freude erblicken und davon kosten, werden sie sich wohl ihrer Empfindung dabei bewußt, kennen aber nicht deren Ursache. Deshalb fragen sie: „Was ist dies“ (ebd. v. 15), das süßer ist als Honig und weißer als Schnee? 139 Sie werden vom Propheten belehrt werden mit den Worten: „Dies ist das Brot, das der Herr ihnen zu essen gab“ (ebd. V. 15). Sage nun weiter: was für ein Brot? „Es ist das Wort“, heißt es, „das der Herr angeordnet hat “ (ebd. 16).[6] Diese göttliche Anordnung erleuchtet und erfreut zugleich die schauende Seele,


  1. Vgl. Über die Pflanzung § 83; Der Erbe des Göttl. § 107; Ü. d. Verwirrung d. Spr. § 123f.
  2. Vgl. Der Erbe d. Göttl. § 125; Quaest. in Gen. III § 3.
  3. Vgl. H. Schmidt, Religionsgesch. Studien und Vorarbeiten IV 67, 1. I. H.
  4. Während in dem Bibelvers: ὁ θεὸς ὄψεται ἑαυτῷ der Dativ ein Dat. commodi ist, legt ihn Philo hier als einen instrumentalen aus. Μ. A.
  5. Vgl. unsere Anm. oben zu § 19.
  6. Vgl. All. Erkl. III § 169 und Anm.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Flucht und das Finden. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/037&oldid=- (Version vom 21.5.2018)