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Seite:PhiloMos1GermanBadt.djvu/022

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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt

für sich allein liebenswert ist und, ohne einer Empfehlung von anderer Seite zu bedürfen, seine Merkmale in sich selber trägt. 60 Nach seiner Verheiratung übernahm er die Herden und weidete sie, eine Vorschule für die künftige Führerschaft; denn die Hirtentätigkeit ist eine Vorbereitung und Vorübung zum Herrschen für den künftigen Leiter der edelsten Herde, der menschlichen, wie es auch für die kriegerische Begabung das Jägerhandwerk ist; durch die Jagd bereiten sich die zur Heeresführung sich Ausbildenden vor, denn die vernunftlosen Tiere geben gewissermassen einen Uebungsstoff für die beiden Lagen der Herrschaft, den Krieg und den Frieden. 61 Die Jagd der wilden Tiere nämlich ist ein Uebungsmittel der Feldherrntätigkeit gegen Feinde, und die Sorge für die zahmen Tiere und ihre Leitung eine Uebung von Königen für ihr Verhalten gegen die Untergebenen. Daher nennt man die Könige auch „Hirten der Völker“, was nicht ein Schimpf, sondern ein ausgezeichneter Ehrentitel ist. 62 Und wenn ich mir die Sache nicht nach den Vorurteilen der Menge, sondern nach der Wahrheit klar zu machen suche, so scheint mir – lache darüber, wer will – nur der allein imstande das Ideal eines Königs zu werden, der ein tüchtiges Verständnis der Hirtentätigkeit besitzt, denn er ist an minder edlen Wesen für die Herrschaft über die edleren vorgebildet[1]; man kann es aber unmöglich früher im Grossen zur Vollkommenheit bringen, als bis man sie im Kleinen erlangt hat.

63 (12.) So wurde er denn der tüchtigste Herdenführer seiner Umgebung und wusste geschickt zu beschaffen, was zur Förderung seiner Herden diente; denn er war in nichts


  1. Vgl. Midr. Schemot R. c. 2 zu 2 Mos. 3,1, besonders die Erzählung von dem müden Schäflein, das der Hirt Moses auf seinen Schultern vom Quell zur Herde zurückbringt; sie schliesst mit den Worten: „Gott sprach zu Moses: du hast Barmherzigkeit, Schafe von Fleisch und Blut (d. h. wirkliche) zu führen; bei deinem Leben, du sollst auch meine Schafe weiden, Israel“. Auch die oben an diese Betrachtung geknüpfte Sentenz von der Vorbereitung für grössere Aufgaben durch kleinere ist an derselben Stelle im Midr. unmittelbar im Anschluss an das oben gegebene Zitat zu lesen: „Gott verleiht dem Menschen nicht eher Grösse, als bis er ihn in einer kleinen Sache geprüft hat“.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloMos1GermanBadt.djvu/022&oldid=- (Version vom 1.8.2018)