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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn

war, bestrebte er sich alles nur zum Wohlgefallen des Vaters und Königs zu reden und zu tun, indem er seinen [35 M.] Spuren auf den Heerstrassen folgte, die die Tugenden bahnen, da nur den Seelen, die als Ziel die Aehnlichkeit mit dem göttlichen Schöpfer ansehen, sich ihm zu nähern gestattet ist.

[51.] 145 Wir haben nun über des zuerst geschaffenen Menschen seelische und körperliche Schönheit, wenn auch für ihr wahrhaftes Wesen viel zu wenig, so doch das, was in unseren Kräften stand, gesagt. Seine Nachkommen aber, die seine Eigenart teilen, müssen auch die Merkmale der Verwandtschaft mit dem Ahnherrn, wenn auch getrübt, bewahren. 146 Worin aber besteht diese Verwandtschaft? Jeder Mensch ist hinsichtlich seines Geistes der göttlichen Vernunft verwandt, da er ein Abbild, ein Teilchen, ein Abglanz ihres seligen Wesens ist; in dem Bau seines Körpers aber gleicht er der ganzen Welt; denn er ist eine Mischung aus denselben Elementen, aus Erde, Wasser, Luft und Feuer, indem jedes Element seinen Teil beitrug zur vollständigen Herstellung des hinreichenden Stoffes, den der Schöpfer nehmen musste, um dieses sichtbare Abbild zu formen[1]. 147 Ferner lebt er in allen den genannten Elementen wie in eigenen und vertrauten Räumen, er ändert seinen Wohnsitz und betritt bald dieses bald jenes Element, so dass man wirklich sagen kann: der Mensch ist alles, Land-, Wasser-, Luft- und Himmelsbewohner;

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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloOpifGermanCohn.djvu/57&oldid=- (Version vom 9.9.2019)
  1. Der Gedanke kehrt oft bei Philo wieder, dass bei der Bildung des Menschen kleine Teilchen von jedem der vier Elemente, aus denen die ganze Welt zusammengesetzt ist, zur Anwendung kamen. Er stammt aus der pythagoreischen Lehre vom Makrokosmos und Mikrokosmos (oben S. 57). Vgl. auch Sanhedr. f. 38 a: היה ר' מאיר אומר אדם הראשון מכל העולם כלו הוצבר עפרו‎ „R. Meir sagte: der Staub, aus dem der erste Mensch geschaffen wurde, war aus der ganzen Welt zusammengebracht“. Pirke R. Elieser c. 11. Dieselbe Vorstellung findet sich auch in der syrischen Literatur. In dem syrischen Adambuch „Die Schatzhöhle“ S. 3 (ed. Bezold) wird erzählt, dass Gott von jedem der vier Elemente ein sehr kleines Teilchen nahm und daraus Adam bildete, damit alles, was in der Welt ist, ihm untertänig sei. In dem „Buch von der Erkenntnis der Wahrheit“ (übers. von Kayser) S. 35 heisst es wie bei Philo, dass der Mikrokosmos (der Mensch) aus denselben vier Elementen besteht, aus denen der Makrokosmos zusammengesetzt ist.