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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

auch die Seele (ψυχή) ihren Namen von der Abkühlung (ψῦξις)[1] erhalten zu haben scheint. Und ferner: Wird der Geist der Sterbenden zerstreut und geht mit den Körpern zugrunde, oder überlebt er sie eine geraume Zeit lang oder ist er etwas völlig Unvergängliches? 32 Wo aber hält sich der Geist selbst[2] versteckt? Welches Haus[3] hat er sich denn gewählt ? Die einen weihten ihm den höchstgelegenen Teil in unserem Körper, den Kopf, in dem sich auch die Sinne verborgen halten, da sie annahmen, daß sie wie die Trabanten in der Nähe des Großkönigs stehen müßten. Die anderen aber sind anderer Meinung und denken, er (der Geist) sei im Herzen eingeschreint. 33 Jedenfalls ist das Vierte immer unerkennbar, der Himmel in der Welt im Gegensatz zur Natur der Luft, der Erde und des Wassers, und der Geist im Menschen im Gegensatz zum Körper, zu der sinnlichen Wahrnehmung und zur kündenden Rede. Vielleicht wird deshalb auch das vierte Jahr in den heiligen Schriften für „heilig und löblich“ erklärt (3 Mos. 19, 24); 34 denn unter den gewordenen Dingen ist „heilig“ der Himmel in der Welt, an dem die unvergänglichen und seligen Wesen wandeln, und im Menschen der Geist, ein von Gott abgesplitterter Teil, besonders nach den Worten des Moses: „Er hauchte in sein Angesicht Odem des Lebens, und es wurde der Mensch zu einer lebendigen Seele“ (1 Mos. 2, 7). 35 Beide scheinen mir auch nicht unzutreffend „löblich“ genannt zu werden; denn was Lobgesänge, Hymnen und Preislieder auf den Schöpfervater anstimmen kann, das ist der Himmel und der Geist. Erhielt doch der Mensch als besondere Gabe vor allen Wesen die, den Ewigen zu verehren, der Himmel aber klingt immer, da er entsprechend den Bewegungen der in ihm befindlichen Körper[4] die vollendet musikalische Harmonie vollbringt. 36 Könnte deren Schall zu unseren Ohren gelangen, so würden nicht zu bändigender Liebesdrang, leidenschaftliche Sehnsucht und ein unaufhörlicher rasender [626 M.] Trieb in uns entstehen, so daß wir uns selbst des Nötigsten enthielten und uns nicht mehr wie Sterbliche mit Speise und Trank durch die Kehle ernährten, sondern wie Leute, die im nächsten Augenblick


  1. Diese von den Stoikern übernommene Etymologie stammt aus Platons Kratylos 399 E.
  2. Mit Mangey ist wohl αὐτός zu lesen.
  3. Nach Wendland ist τίνα ἄρα οἶκον der Übersetzung zugrunde gelegt.
  4. Zur pythagoreischen Sphärenharmonie bei Philo vgl. die in Leisegangs Index unter ἁρμονία Nr. 1 angeführten Stellen.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/18&oldid=- (Version vom 7.10.2018)