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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

Himmel kreisenden Sonne Urbild, wie oben gesagt, von der es heißt: „Die Sonne war zur Erde gekommen, und Lot ging aus nach Zoar, und der Herr ließ Schwefel und Feuer regnen auf Sodom und Gomorrha“ (1 Mos. 19, 23. 24). 86 Denn wenn Gottes Logos zu unserem irdischen Gebäude kommt, steht er denen bei, die mit der Tugend verwandt sind und sich ihr zuneigen,[1] und hilft ihnen, so daß er ihnen vollständige Zuflucht und Rettung verschafft, ihren Gegnern aber schickt er Vernichtung und heilloses Verderben. 87 Es heißt aber in vierter Bedeutung Sonne der Lenker des Weltalls selbst, wie ich schon sagte, durch den die heillosen Sünden, die im Schatten zu sein scheinen, enthüllt werden. [634 M.] 88 Denn wie Gott alles vermag, so ist ihm auch alles bekannt. Darum führt er auch diejenigen, die, nachdem ihre seelischen Spannkräfte erschlafft waren, zügellos und allzu wollüstig mit den Töchtern des Geistes, den Sinnen, verkehrten, als wären sie Huren und Dirnen, an die Sonne, damit es an ihnen aufgezeigt werde.[2] 89 Es heißt nämlich: „Und es machte das Volk Rast in Sittim“ –· das bedeutet aber „Dornen“, das Symbol der Laster, die die Seele stechen und verwunden –, „und es entheiligte sich zu huren mit den Töchtern Moabs“ –, das aber sind die Töchter des Geistes genannten Sinne; denn Moab bedeutet „vom Vater“[3] –, und er setzt hinzu: „Nimm alle Obersten des Volkes und führe sie als Beispiel dem Herrn vor die Sonne, und es wird weichen von Israel der Zorn des Herrn“ (4 Mos. 25, 1. 4). 90 Nicht nur die verborgenen Sünden, von denen er will, daß sie offenbar werden, ließ er von Sonnenstrahlen umleuchtet sein, sondern er nannte symbolisch eine Sonne auch den Vater des Alls, dem alles sichtbar ist, auch das, was im Innersten des Geistes unsichtbar vollbracht wird. Kommt es aber ans Licht, so sagt er, es werde gnädig sein der allein Gnädige. Warum? 91 Weil der Geist, wenn er in dem Glauben, er könne unbemerkt von Gott unrecht tun, im Geheimen und im Innersten sündigt, als ob er nicht alles sehen könnte, und


  1. ἀποκλίνουσιν, eine Anspielung auf ἀπόκλισις, die Bedeutung des Namens Lots: Über Abrahams Wanderung § 148 u. ö.
  2. ἐνδεικνύναι = aufzeigen heißt in der attischen Gerichtssprache auch anzeigen, anklagen. Denselben Doppelsinn legt Philo § 89 in das Verbum παραδειγματίξειν zum Beispiel vorführen und bestrafen.
  3. Und „Vater“ ist Symbol des Geistes: s. zur Deutung von Moab: Über die Einzelges. I 334.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/29&oldid=- (Version vom 7.10.2018)