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Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/30

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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

wenn er nachher entweder aus eigener Kraft oder durch einen anderen belehrt einsieht, daß Gott unmöglich etwas unklar bleiben kann, und wenn er sich selbst und alle seine Taten enthüllt und sie an die Öffentlichkeit wie ans Sonnenlicht bringt und sie dem Wächter des Alls zeigt mit den Worten, er bereue, was er vorher mit unverständigem Herzen töricht gedacht habe – denn nichts ist ihm unklar, sondern alles bekannt und klar; nicht nur, was getan wurde, sondern auch, was beabsichtigt wird, steht, seiner großen Macht entsprechend, in seiner Gewalt –, weil er dann rein geworden und ihm geholfen ist und er den die Aufsicht führenden Rächer und Überführer besänftigt hat, der in gerechten Zorn geraten wäre, wenn er nicht[1] die Reue, die jüngere Schwester der nicht vollbrachten Sünde, empfangen hätte. [16] 92 Er scheint jedoch auch noch an anderer Stelle symbolisch für den Schöpfer die Sonne zu nehmen, wie in dem Gesetz, das über die Leute handelt, die etwas auf Pfand ausleihen. Man lese das Gesetz: „Wenn du zum Pfande nimmst das Kleid deines Nächsten, sollst du es ihm wiedergeben vor Untergang der Sonne; denn es ist seine einzige Decke, dies ist das Kleid seiner Scham. Worin soll er schlafen? Wenn er nun mich anruft, werde ich ihn erhören; denn ich bin gnädig“ (2 Mos. 22, 26. 27). 93 Man sollte doch wohl diejenigen, die glauben, der Gesetzgeber ereifere sich derartig um eines Kleides willen, wenn auch nicht gerade schelten, so doch mit folgenden Worten ermahnen: Was meint ihr, meine trefflichen Leute? der Schöpfer und Lenker des Weltalls nennt sich selbst gnädig wegen einer so billigen Sache, wegen eines Gewandes, das dem Schuldner [635 M.] von dem Gläubiger nicht zurückgegeben wurde? 94 Es ist Sache derer, die ganz und gar nicht die Erhabenheit der Gesinnung des allergrößten Gottes erkannt haben, derartiges zu glauben und der ungeschaffenen, unvergänglichen Natur voller Glück und Seligkeit die menschliche Kleinlichkeit beizulegen. 95 Denn was tun die Gläubiger Ungehöriges, die die Pfänder bei sich behalten, bis sie ihr Eigentum eingefordert haben? Die Schuldner sind arme Leute, möchte man vielleicht sagen, und man muß Mitleid mit ihnen haben. Wäre es da nicht besser gewesen, ein Gesetz zu erlassen,


  1. μὴ zu ergänzen nach Wendland. [Diese Ergänzung ist abzulehnen; ich lasse den mit εἰ eingeleiteten Bedingungssatz von ἡμέρωκεν abhängen und schlage folgende Übersetzung vor: weil er... den beaufsichtigenden Züchtiger, den gerecht strafenden Prüfer besänftigt hat, wenn er die Reue, die jüngere Schwester völliger Sündhaftigkeit, bei sich aufnimmt. M. A.]
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/30&oldid=- (Version vom 7.10.2018)