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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

aber die Sterne – denn auch jeder von diesen soll nicht nur ein Lebewesen, sondern sogar ein durch und durch ganz reiner Geist sein –; so gibt es auch in dem übrigen Teile des Alls, in der Luft, lebende Wesen. Wenn sie aber der sinnlichen Wahrnehmung nicht erkennbar sind, was hat das zu sagen? Ist doch auch die Seele etwas Unsichtbares. 136 Ja, es ist sogar wahrscheinlich, daß die Luft noch mehr als Erde und Wasser lebendige Wesen nährt, da sie ja auch die in jenen lebenden beseelt hat; denn es schuf sie der Meister als Zusammenhalt der unbewegten Körper, als Wachstumskraft der sich ohne Vorstellungsvermögen bewegenden, und schließlich als Seele derer, die sich des Willenstriebes und der Vorstellung bedienen können.[1] 137 Wäre es nun nicht sonderbar, wenn das, wodurch alles andere beseelt wurde, keine Seelen hätte? Deshalb soll niemand dem besten Element,[2] der Luft, die beste Gattung lebender Wesen rauben; denn sie ist nicht allein unter allen Elementen leer, sondern wohlbevölkert wie eine Stadt und hat zu Bürgern unvergängliche und unsterbliche Seelen, die an Zahl den Sternen gleich sind. 138 Von diesen Seelen steigen die einen hinab, um sich in sterbliche Körper einsperren zu lassen, und zwar die der Erde nächsten und dem Körper befreundetsten, die anderen wandern hinauf wieder abgeschieden nach den von der Natur festgesetzten Zahlen und Zeiten. 139 Von diesen eilen diejenigen, die sich nach der Verwandtschaft und Vertrautheit mit dem [642 M.] sterblichen Leben sehnen, wieder zurück, die aber seine ganze Eitelkeit durchschauten, nannten den Körper einen Kerker und eine Gruft, entflohen wie aus einem Gefängnis oder einem Grabe und wandeln, mit leichten Flügeln zum Äther emporgehoben, in Ewigkeit in der Höhe. 140 Es gibt aber noch andere, nämlich die reinsten und besten, die edlere und göttlichere Gesinnungen erlosten, die überhaupt niemals nach etwas Irdischem trachteten, die Statthalter des Weltlenkers, gleichsam Ohren und Augen des Großkönigs,[3] die alles sehen und hören. 141 Diese pflegen die anderen Philosophen Dämonen zu nennen, die heilige Schrift aber, die einen passenderen Namen braucht, Engel (ἄγγελοι). Denn


  1. Über diese stoische Teilung der Wesen nach ἕξις, φύσις, ψυχή vgl. Über die Unveränderlichkeit Gottes § 35ff., Alleg. Erkl. II § 22. Was aber in der Stoa vom πνεῦμα gilt, überträgt hier Philo auf den ἀήρ.
  2. So nach Cohns Konjektur.
  3. Denselben Ausdruck braucht Xenophon Cyrup. VIII 2, 10.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/39&oldid=- (Version vom 7.10.2018)