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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

welches das Abbild des ganzen Himmels ist, auf daß mitfeiere die ganze Welt mit dem Menschen und der Mensch mit dem All. 216 Damit ist nun schon gezeigt, daß er beide typischen Kennzeichen besitzt, das gesprenkelte und das bunte. Das dritte und vollkommenste aber, das das durch und durch weiße genannt wird, werden wir sogleich verdeutlichen. Sobald dieser selbe Hohepriester in das Innerste des Heiligtums hineingeht, zieht er das bunte Kleid aus und legt ein anderes, leinenes, aus reinstem Flachs gefertigtes an (3 Mos. 16, 4). 217 Das ist das Sinnbild der Spannkraft, der Unvergänglichkeit und des strahlendsten Lichtes; denn unzerreißbar ist die feine Leinwand, und sie entsteht aus nichts Sterblichem,[1] und sie hat noch dazu, wenn sie nicht nachlässig gereinigt ist, die glänzendste und lichteste Farbe. 218 Hiermit ist ferner gemeint, daß unter denen, die ohne Falsch und mit reiner Gesinnung dem Sein dienen, keiner ist, der nicht erstens festen Sinnes ist und die menschlichen Angelegenheiten verachtet, die ihn anlocken, ins Unglück bringen und schwach machen, [654 M.] zweitens nach Unvergänglichkeit strebt, alles verlachend, was die Sterblichen in ihrer Eitelkeit erdichten, schließlich aber von dem schattenlosen und ringsum strahlenden Lichte der Wahrheit umleuchtet wird und an nichts mehr Gefallen findet, was zum trügerischen Wahn gehört und der Finsternis vertraut zu sein pflegt. [38] 219 So möge denn der große Hohepriester von uns so beschrieben sein als einer, der gekennzeichnet ist durch die drei genannten Siegel: das durch und durch weiße, das bunte und das graugesprenkelte; doch an dem nach dem menschlichen Staatswesen Strebenden, Joseph mit Namen, kann man sehen, daß er nicht zum Besitz der beiden äußersten Charaktereigenschaften kommt, sondern allein in den der mittleren, der bunten. 220 Es heißt nämlich, er hatte einen bunten Rock (1 Mos. 37, 3), da er weder mit heiligen Reinigungsmitteln sich besprengte, aus denen er sich selbst als ein Gemisch von Asche und Wasser hätte erkennen können, noch mit dem ganz weißen und hellstrahlenden Gewande, mit der Tugend, in Berührung kommen konnte, sondern das ganze bunte Gewebe der Staatskunst anlegte, dem nur ein sehr geringer Teil Wahrheit beigemischt ist, wohl aber viele und große Teile Lügen, Wahrscheinlichkeiten, Überredungen und Mutmaßungen, aus denen alle Sophisten Ägyptens[2] entsprossen sind: die Propheten, die aus


  1. Vgl. Ü. d. Trunkenheit 86 Anm. 4.
  2. Vgl. zu den ägyptischen Sophisten Über Abrahams Wanderung § 76.
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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/55&oldid=- (Version vom 7.10.2018)