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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

[660 M.] Kunst erfahren sind. 5 Welches[1]sind nun die Träume? Sollte es nicht jedermann klar sein, daß es die Träume des Joseph, die des Königs Pharao von Ägypten sind und die, die sein Oberbäcker und Obermundschenk sahen? 6 Es möchte sich aber empfehlen, immer mit den ersten die Belehrung zu beginnen. Die ersten aber sind die Träume, die Joseph schaute, wobei er von zwei Teilen der Welt, vom Himmel und von der Erde, zwei Erscheinungen empfing: von der Erde den Traum über die Ernte – der ist (geschildert mit den Worten): „Mich deuchte, wir banden Garben mitten im Felde, meine Garbe aber richtete sich auf“ (1 Mos. 37, 7), – vom Himmel aber den von dem Tierkreis; es heißt nämlich: „Wie die Sonne und der Mond und elf Sterne sich vor mir neigten“ (ebd. 9). 7 Die Deutung des ersten ist, verbunden mit einer heftigen Drohung, folgende: „Du willst doch wohl nicht König werden und über uns König sein? Du willst doch wohl nicht Herr werden und über uns Herr sein?“ (ebd. 8); die des letzteren aber ist nochmals ein gerechter Zornausbruch: „Sollen denn ich und deine Mutter und deine Brüder kommen und vor dir niederfallen auf die Erde“ (ebd. 10)?

[2] 8 Das mag als eine Art Grundlage im voraus festgelegt sein, das übrige wollen wir, den Geboten der weisen Baumeisterin, der Allegorie, folgend, darauf aufbauen, indem wir jeden der beiden Träume genau untersuchen. Was man aber vor beiden gehört haben muß, ist noch zu sagen: Die Natur des Guten dehnten die einen auf vieles aus, die andern teilten sie dem Besten allein zu; und die einen vermischten sie, die andern ließen sie unvermischt. 9 Die einen nannten nun nur das sittlich Gute gut, bewahrten sie rein und unvermischt und teilten sie der besten der Kräfte in uns zu, dem Verstande; die andern aber, die sie mischten, fügten sie dreien bei: der Seele, dem Körper und den äußeren Dingen. Diese huldigen der weichen und üppigen Lebensweise und wurden die längste Zeit im Frauengemach und in dessen verweichlichten Sitten von der Wiege an aufgezogen; jene aber sind abgehärtet, von Männern in ihrem Knabenalter aufgezogen, selbst Männer in ihrer Gesinnung streben sie vor dem Angenehmen nach dem Zuträglichen und brauchen Nahrungsmittel wie die Athleten zu ihrer Stärkung und Kräftigung, nicht zu ihrem Vergnügen. 10 Die Häupter beider Scharen führt nun Moses vor, als das der edlen den selbstlernenden und selbstgelehrten


  1. Ich lese τίνες statt τίνος nach Wendland.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/64&oldid=- (Version vom 7.10.2018)