Zum Inhalt springen

Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/92

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

Lebens in unheiligem mit aller Unanständigkeit geführtem Kampfe Beweisenden. [25] 169 Ferner wäre nun zu bedenken, daß auch der Weinstock das Symbol zweier Dinge ist: des Unverstands und des Frohsinns. Beides wollen wir, obgleich es sich aus vielem ergibt, durch weniges erweisen, damit wir nicht zu weitschweifig werden. 170 Als uns einer auf dem von Leidenschaften und Übeltaten freien Wege führte, der Philosophie, und uns wie auf ein Gebirge[1] hinaufgeleitete, die rechte Vernunft auf eine Warte stellte, und aufforderte, ringsum das ganze Land der Tugend zu betrachten, ob es guter Boden ist und tief, grünes Laub und Früchte tragend und gut dazu geeignet, auch die ausgestreuten Lehren mitwachsen zu lassen, gut, die gepflanzten und sich zu Bäumen entwickelnden Grundsätze zu festen Stämmen zu machen, oder ob das Gegenteil der Fall ist, und was die Handlungen gleichsam wie Städte angeht, ob sie wohlverwahrt und befestigt sind oder unbewehrt und nicht wie durch den festen Ring von Mauern[2] umkleidet sind, und in betreff der Einwohner, ob sie an Menge und Kraft zugenommen haben oder wegen ihrer Schwächlichkeit wenig Männer zählen oder aus Menschenmangel schwach sind, 171 da konnten wir nicht den ganzen Baumstamm der Weisheit tragen, schnitten einen Zweig und eine Weintraube ab und luden sie auf als deutlichstes Zeichen der Freude, eine sehr leichte Last, um den Sproß und die Frucht zugleich des Schönen und Guten denen zu zeigen, die im Geiste den Reben treibenden und Trauben tragenden Weinstock klar vor sich sehen[3] (vgl. 4 Mos. 13). [26] 172 Diesen Weinstock, von dem wir nur einen Teil mitnehmen konnten, setzen sie treffend dem Frohsinn gleich. Zeuge dafür aber ist mir einer der alten Propheten, der in göttlicher Begeisterung sprach: „Ein Weinberg des allmächtigen Herrn ist das Haus Israels“ (Jes. 5, 7). 173 Israel aber ist der Gott und Welt schauende Geist – er bedeutet nämlich der „Gott Schauende“[4] –, das Haus des Geistes aber ist die ganze Seele.[5] Diese aber ist der heiligste Weinberg, der als Frucht den göttlichen Sproß trägt: die Tugend. 174 So groß und herrlich aber ist das „frohe Sinnen“,


  1. Nach Wendlands Konjektur εἰς ὄρος statt ἔμπορος
  2. Vgl. hierzu auch Philos eigene Schilderung Leben Mosis I § 224ff.
  3. Vgl. Ü. d. Namensänderung § 224.
  4. Vgl. Über Abraham § 57, Anmerkung.
  5. Über die Seele als Haus vgl. All. Erkl. III § 239.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/92&oldid=- (Version vom 7.1.2019)