Philon: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel | |
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Während die zwei Bücher über das Leben des Moses ein ganz für sich allein stehendes Werk sind und schon aus dem Grunde, weil sie für einen nichtjüdischen Leserkreis bestimmt sind, in keinem engeren Zusammenhang mit andern Schriften Philos stehen, gehört das Buch „Ueber den Dekalog“ (De decalogo) wiederum zu der zusammenhängenden Schriftenreihe, in der Philo eine systematische Darstellung des ganzen Inhalts des Pentateuchs gibt. Das Buch „Ueber die Weltschöpfung“ war der erste Hauptteil dieses grossen Werkes, die Lebensbeschreibungen der Patriarchen, von denen nur das Leben Abrahams und Josephs erhalten sind, bildeten den zweiten Hauptteil. Das vorliegende Buch steht an der Spitze des dritten Hauptteils, der die Mosaische Gesetzgebung behandelt, und schliesst sich, wie aus Philos Worten selbst (§ 1) hervorgeht, unmittelbar an das Leben Josephs an. Philo handelt darin über die zehn Gebote, die er, wie auch der überlieferte Titel besagt, als κεφάλαια νόμων bezeichnet d. h. als die Hauptstücke oder die allgemeinen Grundlagen der von Moses gegebenen Spezialgesetze, deren Erläuterung im einzelnen dann in den folgenden Büchern gegeben wird.
Das Buch, das einen verhältnismässig geringen Umfang hat, zerfällt in drei Abschnitte: der erste (§ 1–49) enthält allgemeine Bemerkungen über den Dekalog und die Offenbarung am Sinai, im zweiten (§ 50–153) werden die zehn Gebote einzeln der Reihe nach erläutert, im dritten (§ 154–178) werden kurz die Gesetze und Vorschriften aufgezählt, die unter jedes der zehn Gebote fallen. Nach den einleitenden Worten (§ 1), die auf die vorangegangenen Lebensbeschreibungen der Patriarchen als der Symbole der ἄγραφοι νόμοι hinweisen, wirft Philo die Frage auf, weshalb Moses seine Gesetze in der Wüste gegeben habe, und gibt dafür vier Gründe an (§ 2–17). Er erklärt dann, dass die in der heiligen Schrift enthaltenen Gesetze teils von Gott persönlich geoffenbart teils von dem Propheten Moses gegeben sind (§ 18. 19), und wendet sich nunmehr zu den zehn Gottesworten, dem eigentlichen Gegenstand unseres Buches. Die Zehnzahl der von Gott geoffenbarten Gebote gibt ihm zunächst Gelegenheit, über die Bedeutung der 10, der Zahl der Vollkommenheit, nach der
: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 369. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonDecalGermanTreitel.djvu/003&oldid=- (Version vom 1.8.2018)