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Philon: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel

wenden und all das besondere, das in ihnen enthalten ist, zu ermitteln. Die zehn nun, die es sind, teilte Moses in zwei Reihen von fünf, die er in zwei Tafeln eingrub; die erste Reihe erhielt dabei den Vorrang, die andere den zweiten Rang. Schön von Inhalt und dem Leben zum Nutzen sind beide, denn sie öffnen breite Heerstrassen des Lebens, die auf ein Ziel hinausgehen, auf denen es eine Wanderung ohne Straucheln gibt für die Seele, die stets das Beste will. 51 Die vorzüglichere Reihe von fünf Geboten enthält die folgenden Lehren: über die Alleinherrschaft in der Welt; über Schnitz- und Gusswerke und überhaupt von Menschenhand gefertigte Götzenbilder; über das leichtfertige Aussprechen des Namens Gottes; über die Heilighaltung des siebenten Tages; endlich [p. 189 M.] über die Ehrfurcht gegen Eltern und zwar sowohl gegen eines der beiden Eltern wie gegen beide zusammen. So ist der Anfang der einen Tafel Gott, der Vater und Schöpfer des Alls, und das Ende die Eltern, die in Nachahmung des Wesens Gottes die Einzelmenschen erzeugen. Die zweite Reihe umfasst dann die sämtlichen Verbote: die des Ehebruchs, des Mordes, des Diebstahls, des falschen Zeugnisses, der unlauteren Begierden.

52 Es ist nun sorgfältigst auf jedes dieser Gottesworte einzugehen und keines von ihnen oberflächlich zu behandeln. Der erhabenste Anfang von allem, was existiert, ist Gott, und von den Tugenden ist es die Gottesfurcht; also wird notwendigerweise davon zuerst zu handeln sein. Ein Irrtum nun, und kein geringer, hält die meisten Menschen gefangen in einer Sache, die allein oder mehr als alles im Geiste aller völlig ohne Unsicherheit feststehen sollte. 53 Es vergöttern nämlich die einen die vier Elemente, Erde, Wasser, Luft und Feuer[1], andere die Sonne, den Mond und die anderen Gestirne, Planeten und Fixsterne, andere wieder nur den Himmel, andere endlich das ganze Weltall. Den Höchsten und Vorzüglichsten aber, den Schöpfer, den Regierer des Grossstaates, den Führer des unbezwinglichen Heeres, den Steuermann, der beständig das Ganze zum Heile lenkt, verdunkeln sie, indem


  1. Ueber Vergötterung der 4 Elemente im Altertum vgl. Diels, Elementum S. 45 ff.
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: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonDecalGermanTreitel.djvu/016&oldid=- (Version vom 9.12.2016)