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Philon: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel

am siebenten aber zu ruhen, sich mit Philosophie und mit Betrachtung der Dinge der Natur zu beschäftigen, insbesondere auch sich zu prüfen, ob sie nicht an den vorangegangenen Tagen Unlauteres getan, und sich selbst Rechenschaft zu geben von dem, was sie gesprochen und getan, vor dem Richterstuhl der Seele, wobei das Gesetz mitzuwirken und mitzuprüfen hätte, um das, was verfehlt worden, wieder gut zu machen und neue Verfehlungen zu verhüten. 99 Nur hat Gott zur Vollendung der Welt nur einmal sechs Tage gebraucht, wiewohl er eigentlich eines Zeitraums dazu nicht bedurfte; der Mensch dagegen, der ja von sterblicher Natur ist und so vieler Dinge bedarf zur Befriedigung der Notdurft des Lebens, darf bis an sein Lebensende zu keiner Zeit säumen, sich das Notwendige zum Leben zu verschaffen, er muss aber auch an den heiligen Sabbaten ausruhen. 100 Ist das nun nicht eine treffliche und zu jeder Tugend und ganz besonders zur Frömmigkeit anzutreiben geeignete Lehre? denn er (der Gesetzgeber) sagt damit: „folge stets Gott, er sei dir ein gutes Vorbild dafür, dass du dir eine Zeit bestimmst zu Geschäften, einen Zeitraum von sechs Tagen, in welchem Gott die Welt erschuf; und Vorbild dafür, dass du auch philosophieren sollst, sei dir jener siebente Tag, an dem er, wie es heisst, überschaute, was er geschaffen, auf dass auch du die Werke der Natur betrachtest und dein eigenes Streben, das auf Glückseligkeit hinzielt“. 101 Solches Urbild der beiden besten Lebensrichtungen, der praktischen wie der theoretischen, wollen wir nicht unbeachtet lassen, sondern allezeit darauf blicken und seine klaren Abbilder und Formen unserem Geiste einprägen, da wir so unsere sterbliche Natur soweit als möglich der unsterblichen ähnlich machen im Reden und Tun dessen, was [p. 198 M.] man soll. Wie es aber zu verstehen ist, dass die Welt in sechs Tagen von Gott geschaffen wurde, der doch der Zeit zu seinem Wirken gar nicht bedarf, das ist an anderer Stelle allegorisch erklärt worden[1]. 102 (21.) Den Vorrang aber, den die Siebenzahl in der Natur hat, erklären die Mathematiker, die sie sehr genau und sorgfältig erforscht haben. Sie ist nämlich, (sagen sie), die Jungfrau unter den Zahlen,


  1. Vgl. Ueber die Weltschöpfung § 13 ff.
Empfohlene Zitierweise:
: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 393. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonDecalGermanTreitel.djvu/027&oldid=- (Version vom 9.12.2016)