Philon: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel | |
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Landtieren belehren lassen, so mögen wir uns zu der die Lüfte durchsegelnden Vogelwelt wenden, um von ihr zu lernen, was wir sollen. 116 Bei den Störchen bleiben die Alten im Nest, wenn sie nicht mehr fliegen können, und ihre Jungen fliegen beinahe (möcht’ ich sagen) über Land und Meer und bringen von allen Seiten den Eltern die Nahrung[1]. 117 So geniessen die einen, wie es ihrem Alter zukommt, in Ruhe, was sie brauchen, und haben immer Ueberfluss daran, während die anderen die Mühe der Beschaffung des Futters leicht nehmen und aus Pietät und in der Erwartung, dass sie im Alter das Gleiche von ihrer Brut erhalten werden, nur eine notwendige Schuld zurückzahlen; zu rechter Zeit haben sie sie empfangen und erstatten sie sie zurück, zu der Zeit nämlich, wo beide sich nicht selbst ernähren können, die Jungen am Anfang bald nach ihrer Geburt, die Eltern am Ende ihres Lebens. Darum folgen sie von selbst der Natur als Lehrmeisterin und ernähren die Eltern gern, nachdem sie selbst als Junge von ihnen gefüttert worden sind. 118 Müssten nun nicht Menschen, die der Sorge um die Eltern sich entschlagen, um solcher Beispiele willen ihr Haupt verhüllen und sich selbst Vorwürfe machen, dass sie die vernachlässigen, für die sie allein oder doch vor allem zu sorgen hätten, zumal sie dabei nicht sowohl geben als vielmehr zurückgeben; denn nichts gehört den Kindern, was sie nicht von den Eltern haben[2], sei es dass sie es ihnen von Hause aus gegeben oder dass sie ihnen die Möglichkeit es zu erwerben verschafft haben. 119 Hätten nun solche noch Gottesfurcht und Frömmigkeit, diese obersten Tugenden, in der Seele? Nein, sie haben sie verbannt und verjagt. Denn [p. 201 M.] nur Diener Gottes sind für die Kindererzeugung die Eltern; wer aber den Diener missachtet, missachtet damit auch den Herrn. 120 Manche aber gehen sogar noch weiter in der Verherrlichung des Elternnamens und sagen, dass Vater und Mutter
: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonDecalGermanTreitel.djvu/031&oldid=- (Version vom 9.12.2016)