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Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/012

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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn

zu unvergesslichem und unaufhörlichem Schmerz für mich“. Mit solchen Reden beklagte er das Schicksal des Sohnes. Die Kaufleute aber verkaufen den Jüngling in p. 46 M. Aegypten an einen der Eunuchen des Königs, der Oberküchenmeister war[1].

28(6.) Es geziemt sich jedoch, nachdem wir diese Begebenheiten nach dem Wortlaut (der h. Schrift) erzählt haben, auch die allegorische Deutung hinzuzufügen; denn nahezu alles oder das meiste in der Gesetzgebung (des Moses) ist Allegorie. Die Lebensrichtung, um deren Deutung es sich hier handelt, heisst bei den Hebräern „Joseph“, bei den Griechen „Zusatz des Herrn“[2], eine zutreffende und für die angedeutete Sache sehr passende Bezeichnung; denn ein Zusatz der die Herrschaft über alles besitzenden Natur ist die bei den einzelnen Völkern herrschende Staatsverfassung. 29|Der „Grossstaat“ nämlich ist diese Welt[3], und er hat eine Verfassung und ein Gesetz: es ist das Naturgesetz, das gebietet, was zu thun, und verbietet, was zu unterlassen. Die Einzelstaaten aber sind an Zahl unbegrenzt und haben verschiedene Verfassungen und ungleiche Gesetze; denn bei den einen sind diese, bei den andern jene Sitten und Gebräuche eingeführt oder später hinzugekommen. 30|Die Ursache davon ist der Mangel an engerer Verbindung nicht nur der Hellenen mit den Barbaren und der Barbaren mit den Hellenen, sondern auch jeder der beiden Volksarten mit der stammverwandten. Gewöhnlich geben sie als Ursache an, was nicht schuld ist, unerwünschte Zeitumstände, Unfruchtbarkeit des Landes, steinigen Boden, die Lage am Meere oder im Binnenlande, auf einer Insel oder auf dem Festlande, und anderes dergleichen, während sie die wahre Ursache verschweigen: die Habgier und das gegenseitige Misstrauen ist es, weshalb sie, nicht zufrieden


  1. Die Septuaginta übersetzt den Ausdruck 1 Mos. 37,36 שר הטבחים‎ (Oberster der Leibwächter) durch ἀρχιμάγειρος (Oberküchenmeister).
  2. Philo deutet hier den Namen Joseph als κυρίου πρόσθεσις, an andern Stellen aber (de mut. nom. § 89 de somn. II § 47) bloss als πρόσθεμα oder πρόσθεσις.
  3. Vgl. Ueber die Weltschöpfung § 19.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/012&oldid=- (Version vom 1.9.2017)