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Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/013

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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn

mit den Satzungen der Natur, das, was den gleichgesinnten Massen insgemein von Nutzen zu sein scheint, „Gesetze“ nennen[1]. 31|Darum sind die Einzelverfassungen eigentlich Zusätze zu der einen Naturverfassung; denn die Gesetze in den Einzelstaaten sind Zusätze zu der rechten Vernunft der Natur[2]; und so ist auch der Staatsmann ein Zusatz zu dem (Weisen), der nach (dem Gesetz) der Natur lebt. 32|(7.) Treffend heisst es daher auch, dass Joseph einen bunten Rock erhielt (1 Mos. 37,3); denn bunt und mannigfaltig ist eine Staatsverfassung, sie erfährt unzählige Veränderungen, durch Personen, Sachen, Beweggründe, eigentümliche Handlungen, Verschiedenheiten der Zeit und des Orts. 33|Denn wie der Steuermann mit den Aenderungen der Windrichtungen auch die Hilfsmittel zur guten Fahrt ändert und das Fahrzeug nicht immer auf eine Art lenkt, und wie der Arzt nicht ein Heilverfahren für alle Kranken hat, ja nicht einmal für einen Kranken, wenn das Leiden nicht denselben Charakter behält, wie er vielmehr auf das Nachlassen, die Steigerung, die Schwellungen, die Entleerungen und alle Wandlungen der Symptome achtet und danach seine Mittel p. 47 M. zur Rettung einrichtet und bald diese bald jene verordnet, 34|so, meine ich, muss auch der Staatsmann vielseitig und vielgestaltig sein, anders im Frieden, anders im Kriege, ein anderer, wenn wenige oder wenn viele sich gegen ihn erheben, da er wenigen kraftvoll entgegentreten, bei der Menge dagegen Ueberredungskunst anwenden wird und da, wo die Existenz (des Staates) bedroht ist, zum Heile der Gesamtheit allen anderen mit persönlicher Tatkraft vorangehen muss, wo aber (geringere) Mühewaltung erforderlich ist, anderen die Dienstleistung überlassen darf[3]. 35|Mit gutem Grunde wird auch erzählt, dass er verkauft wird; denn der Demagog und Volksredner betritt die Rednerbühne wie die Sklaven, die zum Verkaufe stehen; er wird aus einem Freien ein


  1. Plato Gorg. 483b nennt die Furcht vor der Habsucht der Menschen die Ursache der Gesetze der Menschen.
  2. „Gerade“ oder „Rechte Vernunft“ (ὀρθὸς λόγος) ist der stoische Ausdruck für Weltseele, Weltvernunft, Naturgesetz im ethischen Sinne.
  3. So glaube ich den Sinn des nicht ganz korrekt überlieferten Satzes richtig wiederzugeben.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/013&oldid=- (Version vom 1.9.2017)