Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/033

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn

verbrannt werden sollte. 134|Zeugen solcher Träume sind nicht nur Männer, sondern auch Staaten, Völker, Länder, Griechenland, die Barbarenwelt, Festlands- und Inselbewohner, Europa, Asien, der Westen, der Osten; nichts bleibt überhaupt irgendwo in demselben Zustände, alles erfährt durchweg Wandlungen und Veränderungen. 135|Aegypten hatte einst die Oberhoheit über viele Völker, jetzt ist es selbst untertänig[1]. Die Makedonier waren zu einer Zeit so mächtig, dass sie die Herrschaft über die ganze bewohnte Welt sich aneigneten, jetzt entrichten sie den Steuerpächtern den von den Herren[2] ihnen auferlegten jährlichen Tribut. 136|Wo blieb das Haus (die Dynastie) der Ptolemäer und der Glanz aller Diadochen, der einst zu Lande und zu Wasser bis an die Enden der Erde erstrahlte? Wo blieb die Freiheit der selbständigen Völker und Staaten? wo andererseits die Knechtschaft der untertänigen? Haben nicht früher die Perser über die Parther geherrscht, jetzt dagegen die Parther über die Perser infolge der Wandlungen und der wie im Brettspiel auf- und niedergehenden Veränderungen menschlicher Geschicke? 137|Manche malen sich langes und endloses Glück aus, es ist aber der Beginn grossen Unglücks; und wenn sie zur Besitznahme vermeintlicher Güter eilen, finden sie schlimme Verhältnisse, und umgekehrt wenn sie Böses erwarten, treffen sie auf Gutes. 138|Athleten, die sich mit ihrer Kraft und Stärke und Körpergewandtheit brüsteten und auf unzweifelhaften Sieg hofften, wurden häufig als nicht genügend erprobt vom Wettkampf ausgeschlossen oder nach ihrem Eintritt in den Kampf besiegt, andere wiederum, die schon die Hoffnung aufgegeben hatten auch nur den zweiten Preis zu gewinnen, trugen den ersten Siegespreis davon und wurden gekrönt. 139|Manche, die im Sommer in See stachen, der günstigsten Zeit für gute Seefahrt, litten Schiffbruch, andere, die im Winter schiffbrüchig zu werden fürchteten, wurden ungefährdet zum Hafen geleitet. Manche Kaufleute warten mit Spannung auf vermeintlich sicheren Gewinn und denken nicht an den ihnen etwa drohenden Schaden, und umgekehrt erlangen sie


  1. Zu Philos Zeit war Aegypten römische Provinz.
  2. den Römern.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/033&oldid=- (Version vom 5.9.2017)