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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn

irren und fehlgehen; denn alles wird ihnen verdunkelt durch falsche Vorstellungen, durch die sie zum Träumen gezwungen werden und die Macht über die Dinge verlieren, so dass sie unfähig sind etwas fest und sicher zu erfassen. 148|(25.) Bedeutungsvoll wird auch von ihm (Joseph) berichtet, dass er den zweiten der königlichen Wagen bestieg, nämlich aus folgendem Grunde: der Staatsmann nimmt die zweite Stelle nach dem Herrscher ein; denn er ist weder Privatmann noch Herrscher, sondern steht auf der Grenze zwischen beiden, indem er zwar mächtiger ist als der Privatmann, aber schwächer als ein Herrscher mit unumschränkter Gewalt, da er das Volk als Herrscher über sich hat, für dessen Wohl er in lauterer und aufrichtiger Treue alles zu tun entschlossen ist. 149|Er wird aber, wie ein auf einem Wagensitz Thronender, von den Staatsgeschäften und von der Volksmenge hoch empor gehoben, besonders wenn alles nach ihrem Willen geht, Kleines wie Grosses, wenn nichts Widriges in den Weg tritt, sondern wie bei guter Seefahrt unter dem Schutze Gottes alles in heilsamer Weise gelenkt wird. Und der Ring, den ihm der König übergibt, ist ein deutliches Kennzeichen des Vertrauens, das das herrschende Volk dem Staatsmanne und der Staatsmann dem herrschenden Volke schenkt. 150|Die goldene Halskette aber scheint zugleich auf Ruhm und auf Strafe hinzudeuten; solange nämlich unter seiner Verwaltung die Dinge einen guten Verlauf nehmen, ist er stolz, hochangesehen und geehrt bei der Volksmenge; sobald aber ein Unglück sich ereignet, nicht etwa mit Absicht herbeigeführt, denn das wäre straffällig, sondern durch Zufall, was verzeihlich ist, wird er nichtsdestoweniger an dem Halsschmuck hinabgezogen und gestürzt, indem der Herr (das Volk) dann etwa so spricht: „Diese Halskette schenkte ich dir als Schmuck, wenn meine Angelegenheiten gut gehen, und als Schlinge, wenn sie fehlgehen“.

151(26.) Ich hörte aber auch in anderer Weise den tieferen Sinn p. 63 M. dieser Stelle erläutern. Nämlich folgendermassen: der König von Aegypten, sagte man, sei unser Geist, der Beherrscher des körperlichen Teils in jedem Menschen, der die Macht besitzt wie ein König. 152|Wenn dieser ein Freund des Leibes

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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/036&oldid=- (Version vom 5.9.2017)