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Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn

in der rechten Art: die einen erklären geradezu, dass die Gottheit gar nicht existiere; andere sind zweifelhaft und schwankend und meinen, sie wüssten nicht zu sagen, ob sie existiert oder nicht; wieder andere, die mehr der Gewohnheit als eigenem Nachdenken folgen, haben ihre Begriffe von der Existenz Gottes von ihren Erziehern überkommen und glauben richtig fromm zu sein, während ihre Frömmigkeit doch nur in Dämonenfurcht sich ausprägt. 41 Diejenigen dagegen, die durch wissenschaftliche Erkenntnis die Vorstellung von dem Schöpfer und Leiter des Alls zu gewinnen vermochten, haben, wie man zu sagen pflegt, den Weg „von unten nach oben“ eingeschlagen. Sie traten in die Welt wie in einen wohlgeordneten Staat ein, sahen fruchtbares Bergland und fruchtbare Ebene, (sahen die Erde) angefüllt mit Saaten und Bäumen [p. 415 M.] und Früchten und Tieren aller Art, sahen auf der Erde weitausgedehnte Meere, Seen, Quellflüsse und Wildbäche, die schönen Mischungen von milder Luft und Winden und die harmonischen Veränderungen der Jahreszeiten, und schliesslich die Sonne, den Mond, die Planeten und Fixsterne, den ganzen Himmel mit seiner Heerschar in Reihen geordnet, eine wahre Welt, die in der Welt herumkreist: 42 da staunten sie und waren voll Bewunderung und gelangten zu der diesen Erscheinungen entsprechenden Annahme, dass soviel Schönheit und solche alles übertreffende Ordnung nicht von selbst entstanden sei, sondern durch einen Bildner und Weltschöpfer, und dass es auch eine Vorsehung geben müsse; denn es besteht ein Naturgesetz, dass das schaffende Wesen für das geschaffene sorgt[1]. 43 Diese gotterfüllten Männer, die sich vor den anderen besonders auszeichneten, sind freilich, wie gesagt, „von unten nach oben“ wie auf einer Himmelsleiter vorgeschritten, sie haben auf Grund anscheinend richtiger Ueberlegung von den Werken auf den Bildner geschlossen. Manche aber besassen die Fähigkeit, ihn aus ihm selbst zu begreifen, ohne dass sie irgend welche andere Vernunftgründe zu Hilfe zu nehmen brauchten, um zu seinem


  1. Damit begründeten die Stoiker die göttliche Vorsehung gegen die Epikureer, die mit der Leugnung der Existenz Gottes auch die Vorsehung leugneten. Vgl. auch Ueber die Weltschöpfung § 10.
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Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 393. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonPraemGermanCohn.djvu/015&oldid=- (Version vom 2.10.2017)