Seite:PhilonPraemGermanCohn.djvu/016

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn

Anblick zu gelangen: solche müssen in Wahrheit zu den frommen und echten Dienern und Lieblingen Gottes gezählt werden. 44 Zu diesen gehört der Mann, der in chaldäischer Sprache Israel genannt wird, auf Griechisch der Gott Schauende[1], nicht welcher Art Gott ist — denn das ist, wie gesagt, unmöglich — , sondern dass er ist: er hat es nicht von einem andern gelernt, auch nicht von den Erscheinungen auf der Erde und am Himmel und nicht von den Dingen, die entweder Elemente oder Zusammensetzungen sterblicher und unsterblicher Natur sind, sondern von Gott allein ward er umbenannt, der ihm auf sein Flehen seine Existenz kundtun wollte. 45 Auf welche Weise aber die Erkenntnis ihm zuteil wurde, kann man an einem Gleichnis sehen. Unsere sichtbare Sonne schauen wir doch durch nichts anderes als durch die Sonne? ebenso die Sterne durch nichts anderes als durch die Sterne? und wird nicht überhaupt das Licht nur durch das Licht gesehen? Ganz ebenso ist Gott sein eigenes Licht und wird durch sich allein gesehen, ohne dass ein anderer hilft oder helfen kann zur reinen Erkenntnis seines Daseins. 46 Gute Treffer sind also die Menschen, die sich bemühen aus der Schöpfung den ungeschaffenen Schöpfer des Alls zu erkennen, sie handeln ähnlich denen, die aus der Zweiheit die Natur der Einheit erforschen, während man umgekehrt von der Einheit — diese ist ja der Anfang — ausgehen müsste, um die Zweiheit zu betrachten[2]; zur Wahrheit aber gelangen nur die Menschen, die die Vorstellung von Gott durch Gott gewinnen, die Vorstellung vom Licht durch das Licht. 47 (8.) Wir haben bisher von dem grossen Preis (Jakobs) gesprochen. Ausserdem aber erhält er noch eine zwar nicht schön klingende, aber nach ihrer geistigen Bedeutung sehr wertvolle Auszeichnung. Sie heisst „Lähmung der Hüftpfanne“ (1 Mos. 32,26), ist aber symbolisch zu verstehen. Durch die „Hüftpfanne“ wird nämlich Hochmut und Ueberhebung ausgedrückt, wenn die Seele sich in [p. 416 M.] massloser Weise ausbreitet und auf unerlaubte Ziele


  1. Vgl. Ueber Abraham § 57 und die Anm. dazu.
  2. Philo spielt hier auf die pythagoreische Philosophie an, die die Eins der Gottheit und die Zweiheit der Materie gleichsetzte.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 394. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonPraemGermanCohn.djvu/016&oldid=- (Version vom 2.10.2017)