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Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn

alle von einer Mutter, der gemeinsamen Natur, abstammen, die vom Gesetz vorgeschriebene Ruhe nach sechs Tagen zu gewähren, anstatt auch der Erde die Buhe im Sabbatjahre zu gewähren und sie nicht mit Säen und Pflanzen zu beschweren, damit sie nicht infolge der ununterbrochenen Arbeitsleistung schliesslich ganz versage, 156 — haben sie unter Missachtung dieser vortrefflichen Anordnungen, die zur Milde ermahnen, Körper und Geist aller, die sie nur fassen konnten, durch aufreibende Zwangsarbeiten unterdrückt, haben sie die Kraft des fetten Erdreichs geschwächt durch übermässige Abgaben, aus denen sie in unersättlicher Weise Gewinn zogen, und durch Tribute, mit denen sie nicht nur alljährlich sondern täglich das Land völlig aussogen. 157 Dafür werden sie die erwähnten Flüche und Strafen voll zu tragen haben, während das entkräftete und durch zahllose Misshandlungen geschwächte Land von der Last der gottlosen Bewohner befreit sich erholen wird; und wenn es rings im Kreise sich umsehend keinen von denen erblicken wird, die seinen Stolz und sein Ansehen vernichteten, wenn es die Märkte frei von Lärm, Zwist und Frevel sehen wird und in vollster Ruhe, Friedlichkeit und Gerechtigkeit, dann wird es sich verjüngen und frisch aufblühen und die Festzeiten der heiligen Sabbate in Ruhe feiern (3 Mos. 26,43) und sich erholen und neue Kräfte sammeln wie ein Ringkämpfer nach hitzigem Kampfe. 158 Dann wird es wie eine zärtlich liebende Mutter die Söhne und Töchter beklagen, die es verloren und die im Sterben und noch mehr im Leben ein Schmerz für die Eltern waren; und wieder verjüngt wird es von neuem fruchtbar werden und ein sündloses Geschlecht erzeugen als Ersatz für das frühere; denn, wie der Prophet verheisst, „die Vereinsamte wird mit Kindern reich gesegnet [p. 435 M.] sein“[1], ein Spruch, der sich auch allegorisch auf die Seele deuten lässt. 159 Wenn nämlich die Seele voll ist, d. h. erfüllt von Leidenschaften und Lastern, die wie Kinder sie umgeben, von Lüsten, Begierden, Unverstand, Zuchtlosigkeit, Ungerechtigkeit, dann ist sie schwach und krank und infolge ihrer Leiden


  1. Anspielung auf die Worte des Jesaja 54,1 εὐφράνθητι, στεῖρα, .. ὅτι πολλὰ τὰ τέκνα τῆς ἐρήμου μᾶλλον ἢ τῆς ἐχούσης τὸν ἄνδρα.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 422. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonPraemGermanCohn.djvu/044&oldid=- (Version vom 4.10.2017)