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Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn

ruhmlosen Leben den rühmlichen Tod vorziehen würde. 33 Denn eine jede dieser Eigenschaften ist schon für sich allein, wenn ich die Wahrheit sagen soll, eine Macht; wenn sie aber vereint beisammen sind, werden (ihre Besitzer) eine unbezwingliche und unwiderstehliche Kraft infolge grosser Ueberlegenheit zeigen und einen unblutigen Sieg über die Feinde davontragen.

34 (7.) Einen klaren Beweis für das Gesagte bietet die heilige Schrift (4 Mos. 25,1–9. 31,1–12). Ein sehr zahlreiches Volk sind die Araber, die in alter Zeit Midianiter hiessen. Diese waren gegen die Hebräer feindlich gesinnt, aus keinem andern Grunde eigentlich als weil diese den höchsten und ältesten Urgrund (aller Dinge) mit frommer Scheu verehren und dem Schöpfer und Vater des Alls anhängen. Die Midianiter wenden nun alle List an und machen alle möglichen Versuche, um sie zum Abfall von der Verehrung des Einzigen und wirklich Seienden zu bringen und von der Frömmigkeit zur Gottlosigkeit zu verführen, denn so meinten sie sie leicht überwinden zu können. Als sie nun viel geredet und getan hatten und schon ganz müde waren, wie Menschen, die dem Tode nahe sind, weil sie alle Hoffnung auf Rettung aufgegeben haben, ersinnen sie endlich noch folgende schlaue Massregel[1]. 35 Sie berufen die Schönsten unter ihren Weibern und sprechen so zu ihnen: „Ihr seht, wie unermesslich die Menge der Hebräer ist. Ein stärkeres Bollwerk aber als ihre grosse Zahl ist ihre einträchtige Gesinnung, und der oberste und wesentlichste Grund dieser Eintracht ist der Glaube an den einen Gott, woraus wie aus einer Quelle die einigende und unlösbare Liebe entspringt, die sie zu einander hegen. 36 Am leichtesten zu fangen ist nun der Mensch durch die Lust, ganz besonders durch den Umgang mit einer Frau. Ihr seid durch Schönheit ausgezeichnet, die Schönheit ist ein natürliches Lockmittel, und die jungen Männer sind


  1. Philo schreibt hier den Midianitern zu, was die Bibel (und danach auch Philo im Leben des Moses I § 300ff.) von Balak und den Moabitern erzählt, weil es ihm hier auf den Rachekrieg ankommt, der für diese Tat (nach 4 Mos. 31,2 ff.) gegen die Midianiter geführt wurde.
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Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonVirtGermanCohn.djvu/016&oldid=- (Version vom 31.10.2017)