Das quält mich so, daß ich nicht einen Augenblick Ruhe habe. Ja, und dann habe ich auch dich schon so lange nicht mehr gesehen,“ klagte sie, in ihren Augen standen Tränen.
„Ich war ebenfalls krank! Heute bin ich zum erstenmal seit Sonnabend ausgegangen.“
„Es ist wahr, du siehst blaß und elend aus. Das wird so einen geheimen Zusammenhang mit Wandas Krankheit haben! Lache nicht über meine Vermutungen. Die Furcht ist oft hellseherisch! Vielleicht hat sie auch dich verhext …?“
Ein eisiger Schauer schüttelte ihn, in seinem Hirn formten sich immer merkwürdigere Assoziationen.
„Komm! Auch Betsy ist hier. Sie kommt jeden Tag, um an Wandas Bett zu wachen. Ein goldiges, herziges Mädchen!“
Er schwieg, mit der dumpfen Unruhe ringend, die ihre Vermutungen in ihm erweckt hatten.
„Hast du sehr gelitten?“ Sie sah ihn unsagbar zärtlich an.
„Es hatte sich meiner eine bittere, lähmende Apathie bemächtigt, ich wand mich einige Tage hindurch in ohnmächtiger Qual. Ich hatte nicht einmal so viel Kraft, um zu dir zu flüchten.“
„Warum kann ich nicht immer bei dir sein …?“
„Ich dachte daran. Ich weiß, du würdest mich schützen vor den Qualen, die ich mir selbst bereite. Nur du allein,“ sagte er erregt, doch sofort unterdrückte er das Bekenntnis, das auf seinen Lippen schwebte, denn es tauchte das drohende Gesicht Daisys vor ihm auf.
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/279&oldid=- (Version vom 1.8.2018)