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seiner Hirnschale war ein Chaos und Strudel von zerfetzten Gedanken und Bildern.

„Onkelchen, du bist so gut, so lieb, so furchtbar mein, wie Papa …“

Ja, wer plappert denn das? Wessen Händchen umfangen seinen Hals? Wessen Augen sind es denn, die ihn jetzt mit so grenzenloser Liebe anschauen? … Er wankte erschreckt, eine zentnerschwere Last hatte sich auf seine Seele gewälzt und zog ihn hinab in lärmende, abscheuliche Tiefen.

Zurück? In die Fesseln jedes Tages, jedes Zufalls? In die Sklaverei ewiger Sorgen? In das gemeine Joch der Menge und der Pflichten? Und dann für immer? … „Nein, nein, nein!“ erhob sich in ihm die mächtige Stimme des Protestes. „Lieber den Tod als solch ein Leben, als dieses sklavische, kriechende Würmerdasein inmitten von Schmerzen, Furcht und Finsternis …!“

„Wahnsinn oder Tod,“ hörte er plötzlich die Stimme Smiths, sie tönte wie Grabgeläute in seinem Hirn.

„Was anfangen? Was tun?“ Alle Gespenster des Lebens zerrten an seinem Herzen, durchtränkten ihn mit dem Gifte der Unruhe, der Furcht und der Unsicherheit.

Eine wahnsinnige Angst heulte ihm in die Ohren. Doch jene gebieterische Stimme erhob sich wieder, mit einem Klange, der stärker war als alles, stärker als Leben und Tod … Er krümmte sich in dem letzten, verzweifelten Kampfe mit sich selbst.

Noch ein Augenblick instinktiven Zögerns. Noch ein Augenblick der Überwindung seiner letzten

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Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 317. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/317&oldid=- (Version vom 1.8.2018)