Seite:Samuel zieht die Bilanz und Tomi melkt die Moralkuh oder Zweier Könige Sturz.pdf/19

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6.

Und warum das alles.. warum? Weil wir Deutsche Die heilige „Presse“. sind. Wir nehmen unser gleichgültig Erdenleben zu wichtig, uns fehlt der Spürsinn für Geister, die Welt, Mensch und Ich als komische Phänomene begreifen. Solch „ernsthafter“ Lublinski kann nicht fassen, daß seine sämtlichen Literatur- und Kultursorgen anders Erlebende den Teufel bekümmern. Und vollends ein „berühmter deutscher Romanzier mit dreißig Auflagen“ begreift nicht, daß seine Romane für einen anders Gestimmten nicht mehr bedeuten, als ein Zweiglein getriebenen Winterflieders, das zwischen tieferem Erleben man mit Freude beschaut und in Liebe wohl streichelt. Ein auf altem Vätererbe träumender Kulturgroschenrentner wie Tom Mann, glaubt, der Kampf mit großartigen Zeitgenossen, wie er, müsse das Selbstgefühl jedes arg erheben. Ich wolle mich neben ihm, dem Tom, im Berliner Tageblatte „gedruckt lesen“. Wie könnt ich solchen Geistes Optik anschaulich machen, daß ich, zu Selbstwehr gedrängt, in einsamer Position, durch diese Gegnerschaft mich entwürdigt fühle? Daß meine Selbstachtung höher langt, als nach dem berauschenden Bewußtsein, Ranggenosse der nicht völlig raren Thomas Manns zu heißen. Und diese „Ehrenrichter“ vollends! so hervorragende Zeitgenossen... oh, sie halten mich durchaus für größenwahnsinnig, wenn ich ehrlich gestehe, daß Aechtung oder Achtung sämtlicher dreiundzwanzigtausend aus Kürschners Literaturkalender für mein Gewissen weniger bedeuten würde, als leiseste Mahnung aus Platos Geistermund.

7.

Die komischste Figur aber dieser kleinen Literaturposse bin – ich selber. Weil ich gelegentlich ein Spottliedchen pfiff, muß ich nun die Seele mir aus dem Leibe schreiben, um Urteilsunfähige, Uebelwillige, Ungläubige zu versichern, daß ich ein vortrefflicher Mann bin. Muß um sogenannte Ehre kämpfen... und empfinde im Grunde als ganz gleichgültig, was Samuelchen von mir denkt, und Tomi über mich schreibt. Und endlich – in diesem lachenden Siege, bin ich am Ende – auch nur... deutsch? Kein Tänzer? Kein Erlöster? Ein Kämpfer nur um höhere Ethik wider die Allerweltsmoral der „sittlichen Entrüstung“?... Litterae manent. Vielleicht, daß nach sechzig Jahren einem klugen Manne, der zugleich ein Philosoph ist und ein Künstler, dieses Schriftchen in die Hände fällt.