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3.


Man vergißt im menschlichen Leben nichts so leicht, als das Multipliciren, wenn man es noch so gut in der Schule gelernt hat und kann. Und doch lernt man in der Schule für das Leben, und die Weisheit besteht nicht im Wissen, sondern in der rechten Anwendung und Ausübung davon.

Es kann jemand einen Tag in den andern nur einen Groschen unnöthigerweise ausgeben. Mancher, der den Groschen übrig hat, thut es, und meynt, es sey nicht viel. Aber in einem Jahre sind es 365 Groschen, und in dreißig Jahren 10950 Groschen. Facit 547 fl. 30 kr. weggeworfenes Geld, und das ist doch viel.

Ein anderer kann einen Tag in den andern zwey Stunden unnütz und im Müßiggang zubringen, und meynt jedesmal, für heute lasse es sich verantworten. Das multiplicirt sich in einem Jahr zu 730 Stunden und in dreißig Jahren zu 21900 Stunden. Facit 912 verlorene Tage des kurzen Lebens. Das ist noch mehr als 547 fl. wer’s bedenkt. – Die Erde hat 5400 deutsche Meilen, oder 10800 Stunden im Umkreis. Das ist ein weiter Weg. Aber wenn man in gerader Linie fortgehen könnte, und es wollte jemand jeden Tag nur eine Stunde davon zurücklegen, so könnte er im dreißigsten Jahr wieder daheim seyn. Daraus ist zu lernen, wie weit ein Mensch in seinem Leben es nach und nach bringen kann, wenn er zu einem nützlichen Geschäft jeden Tag nur eine Stunde anwenden will, und wie viel weiter noch, wenn er alle Tage dazu benutzt, besser und vollkommener zu

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Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/061&oldid=- (Version vom 1.8.2018)