schreiben könnte. Wie wenn man in der fremden Stadt auf einer Pilgerreise über Nacht ist, und sieht zum erstenmal durch das Fensterlein der Schlafkammer heraus, rechts und links und über 20 Häuser hinaus, sieht man noch viel solche Lichter abermal brennen, wie in dem Schlafstüblein auch eins schimmert. Geneigter Pilger, diese Lichter sind nicht wegen deiner angezündet, daß es in dem Schlafstüblein lustig aussehe, sondern jedes dieser Lichter erleuchtet eine Stube, und es sitzen Leute dabey und lesen die Zeitung, oder den Abendsegen, oder sie spinnen und stricken, oder spielen Trumpfaus, und das Büblein macht ein Rechnungsexempel aus der Regel Detri.
Gleicherweise wollen verständige Leute glauben, wo in einer solchen Entfernung von uns, in einer solchen Entfernung von einander so unzählige prachtvolle Sonnenstrahlen, da müssen auch Planeten und Erdkörper zu einer jeden derselben gehören, welche von ihr Licht und Wärme und Freude empfangen, wie unsere Planeten von unserer Sonne, und es müssen darauf lebendige und vernünftige Geschöpfe wohnen, wie auf unserer Erde, die sich des himmlischen Lichtes erfreuen und ihren Schöpfer anbeten, und wenn sie etwa bey Nacht in den glanzvollen Himmel herausschauen, wer weiß, so erblicken sie auch unsere Sonne wie ein kleines Sternlein, aber unsere Erde sehen sie nicht, und wissen nichts davon, daß in Oestreich Krieg war, und daß die Türken die Schlacht bey Silistria gewonnen haben. Sie sehen nicht die Schönheit unserer Erde, wenn der Frühling voll Blüthen und Sommervögel an allen Bäumen und Hecken hängt und wir sehen die Schönheit ihres himmlischen Frühlings
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/281&oldid=- (Version vom 1.8.2018)