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dagegen erlauben in einem solchen Falle einen alten Folianten hervorzuziehen um zu beweisen, daß diese Geschichte schon vor einigen Jahrhunderten geschehen oder erfunden worden. Eben so werden Sie mir erlauben heimlich zu lächeln, wenn eine Geschichte für ein altes Mährchen erklärt wird, die unmittelbar in unsrer Nähe vorgegangen ist, ohne daß wir sie eben gerade in dieser Gestalt wieder erkennen.

Luise. Man wird mit Ihnen nicht fertig; es ist das Beste wir machen Friede für diesen Abend, und Sie erzählen uns noch geschwind ein Stückchen zur Probe.

Der Alte. Erlauben Sie, daß ich Ihnen hierin ungehorsam seyn darf. Diese Unterhaltung wird für die versammlete Gesellschaft aufgespart. Wir dürfen ihr nichts entziehen, und ich sage voraus: alles was ich vorzubringen habe, hat keinen Werth an sich. Wenn aber die Gesellschaft, nach einer ernsthaften Unterhaltung, auf eine kurze Zeit ausruhen, wenn sie sich, von manchem Guten schon gesättigt, nach einem leichten Nachtische umsieht, alsdann werd ich bereit seyn, und wünsche daß das, was ich vorsetze, nicht unschmackhaft befunden werde.

Baronesse. Wir werden uns denn schon bis morgen gedulden müssen.

Luise. Ich bin höchst neugierig, was er vorbringen wird.

Der Alte. Das sollten Sie nicht seyn, Fräulein: denn gespannte Erwartung wird selten befriedigt.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 1-78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/94&oldid=- (Version vom 1.8.2018)