Seite:Statistische Darstellung des Kreises Moers.pdf/103

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

viele nebenbei als Tagelöhner arbeiten; viele aber auch besitzen ein eigenes Haus mit etwas Grundeigenthum, welches sie in der ihnen nicht fehlenden freien Zeit bearbeiten. Auch in den Städten ist das Bestreben der meisten Handwerker dahin gerichtet, Gärten und kleine Ackerstücke zu pachten und zu kaufen, um eine Kuh oder wenigstens eine Ziege halten zu können.

Diejenigen Bestimmungen der Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845 und des Gesetzes vom 9. Februar 1849, deren Absicht dahin geht, das corporative Element unter den Handwerkern, insbesondere durch Innungen zu erhalten und zu beleben, haben in unserem Kreise eine nur geringe Wirkung ausgeübt. In den kleineren Städten, wo die Zahl der gleiche oder verwandte Gewerbe betreibenden Handwerker eine nur unbedeutende ist, wird die Bildung von Innungen besonders auch durch die mehr als in größeren Städten zur Geltung kommenden Concurrenzverhältnisse erschwert. Es sind daher nur in Rheinberg die folgenden drei Innungen zu Stande gekommen:

1. Die Tischler- Böttcher- und Drechsler-Innung mit 16 Mitgliedern, welche seit 1852 besteht;
2. die Schuhmacher- und Sattler-Innung mit 26 Mitgliedern, seit 1853;
3. die Schneider-Innung mit 22 Mitgliedern, seit 1853.

Nach dem Urtheile des Magistrats haben diese Innungen auf die Tüchtigkeit und die moralische Haltung des Handwerkerstandes nur wenig Einfluß ausgeübt.

Was dagegen die Vorschriften über die Handwerkerprüfungen, die Lehrlings- und Gesellenzeit, und die Lehrcontracte betrifft, so haben dieselben nicht wenig dazu beigetragen, die Ordnung und Zucht unter der dem Handwerkerstande sich widmenden Jugend zu befestigen. Der Vorsitzende der hiesigen Kreisprüfungs-Kommission sagt hierüber in einem vor zwei Jahren erstatteten Berichte folgendes: „Die betreffenden gesetzlichen Bestimmungen haben einen wohlthätigen Einfluß auf den Handwerkerstand gehabt; es zeigt sich dies nicht nur in der vorgeschrittenen Ausbildung einzelner Gewerbe sehr augenfällig, sondern auch in jeder anderen Beziehung ist dies bemerkbar. Beispielsweise führe ich das Schneidergewerbe, als das am zahlreichsten vertretene, an; die meisten Lehrlinge leisten bei ihrer Gesellenprüfung bedeutend mehr, als früher, ja ein großer Theil liefert Arbeiten, wie sie in der ersten Zeit nach Einführung der Prüfungsbestimmungen sehr oft bei Ablegung von Meisterexamen nicht gemacht wurden. Der Fortschritt auf dem Lande tritt am meisten hervor, weil dort die Arbeit am weitesten zurück war. Durch die Lehrverträge, welche dem Meister wie dem Lehrlinge Rechte und Pflichten auferlegen, ist ein gesundes Verhältniß zwischen beiden Theilen eingetreten. Früher habe ich sehr häufig Lehrlinge gesehen, welche den größten Theil des Tages Kinder verwahren, Kartoffeln schälen, im Mistkarren gehen mußten – betrübende Erscheinungen, welche jetzt ganz fremd sind. Früher wurde der Lehrling zu allen häuslichen Arbeiten verpflichtet, jetzt kommt es oft vor, daß von Seiten des Vaters ausdrücklich darauf bestanden wird, daß der Lehrling nur zu gewerblichen Arbeiten gebraucht werden dürfe. Ohne Lehrvertrag wurden früher fast alle Lehrverhältnisse vor der Zeit gelöst; der frechste Junge kündigte, wollte der Meister Zucht ausüben, verblendete Eltern stimmten um so eher bei, als der Junge, nachdem er wenigstens etwas gelernt hatte, bei diesem oder jenem Meister nicht allein sofort Arbeit, sondern wöchentlich auch einige Groschen Lohn erhielt. In ähnlicher Stellung befanden sich die Gesellen. Jetzt aber ist für beide Theile ein geordnetes segensreiches Verhältniß eingetreten. Die tüchtigsten Meister haben die besten Gesellen und Lehrlinge; jene werden gesucht, weil man bei ihnen am meisten lernen kann und lernen muß, will man sein Examen bestehen. Das Ehrgefühl ist dadurch im Handwerkerstande erstarkt; man gibt viel darauf, sein Meisterexamen möglichst gut zu bestehen.“

Die Zahl der Prüfungen, welche bei den im hiesigen Kreise errichteten Kreisprüfungscommissionen und bei den Innungen zu Rheinberg in den Jahren 1859–61 abgelegt worden sind, ergibt folgende Übersicht: