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Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen

Die Brüder Grimm in Kassel legten jetzt rasch die letzte Hand an die Druckvorlage. In noch nicht zwei Wochen war die Arbeit beendet. Am 2. Christtag 1817 konnte Wilhelm an Ferdinand schreiben: „Heute geht das Manuscript vom 2ten Bande unserer Sagen nach Erfurt, wo es für Nicolai gedruckt wird, zur Ostermeße wird es dann fertig. Es enthält die geschichtlichen Sagen von Tacitus an und viel merkwürdiges und auch schönes; manches ist aus den Heidelbergischen Handschriften dabei. Der Band wird indeß nicht so stark werden, wie der erste, dagegen haben wir auch schon ziemlich für einen zukünftigen dritten gesammelt, der wieder mündliche Sagen enthalten soll.“

Über das Vorschreiten des Druckes habe ich keinerlei Zeugnis. Von der Leipziger Messe aus geschrieben ist folgendes unfreiwillig komisch-sentimentale Blatt:

 Ew. Wohlgeboren

empfangen hier 16 Ex. Ihrer Sagen 2 auf Druckpapier, 5 Ex. hell, 2 Ex. Velin, noch einige Aushängebogen und einen Brief, den mir der Erfurter Buchdrucker zu diesem Zweck gegeben hat. Gebe der Himmel seinen Segen zu dem Buche, zu unserem beiderseitigen Nutzen. Im Gedränge der Meßgeschäfte füge ich iezt nur noch die Versicherung meiner größten Hochachtung hinzu, mit der ich verbleibe Ew. Wohlgeboren ergebene Nicolaische Buchhandlung. Leipzig, am 30. April 1818.

Aber die angezeigten Exemplare blieben lange aus. Erst am 6. Juni 1818 schrieb Wilhelm Grimm nach Berlin: „Lieber Ferdinand, ich habe immer auf die Sagen gewartet, um dir dabei zu schreiben, sie sind aber so lange ausgeblieben, daß Du sie vielleicht schon eher in Händen gehabt hast, als dieses Dir bestimmte Exemplar anlangt. Es wird nun noch ein Band werden, und da dieser wieder mündliche Überlieferungen aufnehmen soll, so kannst Du immer dafür noch sammeln.“ Worauf nun Ferdinand aus Berlin am 14. Juli 1818: „Liebste Brüder, ich danke herzlich für den zweiten Band Sagen, der mir wahre Freude bereitet. Das herrliche Buch geht seiner Vollendung entgegen, und wird mit dem dritten Band recht geschlossen und ausgewachsen dastehn, zur Freude Aller, die die Geschichte studieren und lieb haben. Man möchte nun gleich auch den Schlußband haben, und ganz besonders die erklärenden Anmerkungen, worauf ich mich so freue. Ihr habt übrigens, wie mir dünkt, mit dem Aufnehmen der einzelnen Sagen strenger verfahren.“ Also auch gleich wieder die Forderung nicht bloß nach einem neuen Sagenbande, sondern sogar noch nach dem literarischen Bande über die Sagen. Beides, das hier so rasch gefordert wird, ist überhaupt nicht erschienen.

Der dritte Band mit Sagen, nicht über Sagen, wurde

Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Georg Westermann, Braunschweig und Berlin 1916, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Ueber_Grimms_Deutsche_Sagen.djvu/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)