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Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen

Nr. 249 (Die Katze aus dem Weidenbaum). Auch in dieser Sage „weder mit Rütteln noch Schütteln“.

Nr. 255 (Festgemacht). Die beiden ersten Absätze flossen aus Bräuners Curiositäten S. 365. Auch hier findet man in Grimms Nacherzählen puristische Anwandlungen: statt „Officier“ setzen sie „Kriegsmann“, statt „ausserhalb den Aprochen auf- und abspatzirete“ gleich mehrfach „ging … außerhalb den Laufgräben auf und ab“, statt „Commando-Stab“ den „Befehlshaber-Stab“. Außer „General“ sind sonst absichtlich alle Fremdwörter in dieser Sage vermieden.

Nr. 266 (Todes-Gespenst). Die Sage lautet nur bei Grimms: „Zu Schwatz und Innsbruck in Tirol läßt sich zur Sterbenszeit ein Gespenst sehen, bald klein, bald groß, wie ein Haus. Zu welchem Fenster es hineinschaut, aus demselben Hause sterben die Leute.“ Sie ist nach zwei Stellen des „Höllischen Proteus“ (1690, S. 419 u. 1044) von Erasmus Francisci gebildet, die ziemlich ähnlich sind, dem Wortlaut nach folgt sie jedoch der ersten Stelle. Nun heißt es in der Quelle, das Gespenst sei „bald klein, = bald groß, und so hoch, wie ein Haus“ – oder: „bald klein, bald groß und Haus-hoch“ gewesen. Dies kommt doch etwas besser heraus als der Grimmsche Text; ihn aber im Sinne der Quelle zu ergänzen, war natürlich nicht angebracht.

Nr. 267 (Frau Berta oder die weiße Frau). Die Sage stützt sich auf eine Reihe von Grimms angegebener älterer Quellen, namentlich auf Erasm. Francisci „Höllischen Proteus“, die erste Quelle aber ist irrtümlich „Joh. Jac. Rohde de celebri spectro, quod vulgo die weiße Frau nominant. Königsberg 1723. 4.“ zitiert: es ist aber eine Königsberger Dissertation von Joh. Christoph Nagel, der „praeside M. Joh. Jac. Rohde“ damit promovierte.

Nr. 269 (Der Türst, das Posterli und die Sträggele). Dies ist ein Beispiel, wie Grimms aus einzelnen Andeutungen Sagen zu schaffen verstanden; denn was sie in Sagenform unter Nr. 269 mitteilen, ist in Stalders schweizerischem Idiotikon (1806) vereinzelt und ohne Zusammenhang miteinander unter den drei obigen Wörtern angeführt. Auch die literarische Form kommt allein auf Grimms Rechnung.

Nr. 281 (Weberndes Flammenschloß). Aus dem abentheurlichen Jean Rebhu 2. 8 ff., mit den Änderungen Cavalirs und Damens: Herrn und Frauen; Laqvey: Diener; Mußqvetirer: Kriegsmann.

Nr. 301 (Der Gemsjäger). Eine Sage sehr mäßigen Umfangs, ist mit Grimmschem Geschick aus den rund 200 Hexametern herausgearbeitet, die Wyß in seinen „Idyllen, Volkssagen usw. aus der Schweiz (Bd. 1. 1814)“ über die Sage ergossen hat. Der

Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Georg Westermann, Braunschweig und Berlin 1916, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Ueber_Grimms_Deutsche_Sagen.djvu/38&oldid=- (Version vom 1.8.2018)