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und wollte den Rest in Kronenwährung haben, weil sie ja den Rubel auf drei Kronen dreiunddreißig gestellt hatten. Jentel aber wollte sich nicht rupfen lassen. Wer in russischer Währung zahlt, bekommt in russischer Währung Rest! Sie wußte, daß sie im Recht sei. Auch nach russischer Art. Unerhört! staunte die Bäuerin. Jentel aber beharrte bei ihrem „In Rubels gezahlt: in Kopeken Rest gegeben“. So war’s vom Gradonatschalnik gekommen.

Nun aber war die Wassilowa außer sich geraten. Und ob der Zar für Juden Rechte mache? Und ihr Mundwerk geriet in Schwung und drehte sich, daß es nur so ratterte. Sie regte sich dabei gar nicht auf. Es werde bald mit der Judenherrschaft und mit den Judenkaisern („Judenkaiser sind alle außer dem Zaren“ – sagte der Pope Zenobius) ein Ende nehmen. Heut oder morgen werde es geschehen, und in ihrem Hof – in ihrem Hof wetzten schon die Bauern Sensen und Sicheln, das Judenpack niederzumähen. Väterchen, der Zar, habe es anbefohlen und den Bauern von Lischnia und Babinia das Judengeld überlassen.

Die Bäuerin kam in lautes, überzeugendes Pathos – die wenigen ihresgleichen nickten dem Gesagten zu, und nickten immer tiefer, je näher der Soldat herankam. Jentel aber begann heftig und laut zu weinen. Der wachtuende Soldat ward aufmerksam und trat an die Weiber heran. Und fragte nach dem Grund des Weinens. Jentel konnte nur mit Mühe das Bischen Ruthenisch, das sie inne hatte, zusammenklauben. Aber der Soldat verstand sie. War einer tief aus der Ukraine.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Sternbach: Wenn die Schakale feiern. Weckruf-Verlag, Weimar 1917, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SternbachWennDieSchakaleFeiern.pdf/35&oldid=- (Version vom 1.8.2018)