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und die Russen, die blind und hart an die Wand anrannten, holten sich blutige Köpfe. Man sah von den unzählbaren Massen, die Tag für Tag durch die Stadt in das Karpathengrab zogen, nur wenige zurückkehren. Ruppig, jammrig und gebrochen. Die vom Maln rynek flüsterten einander zu und rieben sich die Hände. Sie sahen die Zarenmacht wanken und zusammenbrechen.

„Herrgott – dachten sie – wann wirds wieder so, wie es war? Daß uns vor der Wassilowa und ihresgleichen das Herz nicht zu versteinern braucht!“

Die Krämer hatten heut etwas losere Herzen und ein klein wenig von ihrem Hoffen war auch auf ihre Stirnen gekommen, aber so spärlich, wie ein einsamer Lichtstrahl, der sich durch die winzige Pore eines dichtgewirkten Gewebes hindurchringt. Die Wassilowa aber, deren Schlechtigkeit tief schürfte, hatte sie durchschaut. Sie stieg behäbig von der Brytschka und sah sich um. In der Kreuzung, wo man vom Maly rynek in die Judengasse einbiegt, gewahrte sie einen wachthabenden Soldaten. Er ging dem Krämerstand zu. War lang wie eine Dezembernacht und breit wie ein Gasthaustor. Und hatte eine Nagajka in der Hand.

„Der ist mir recht“ – dachte sich die Wassilowa und trat an Jentels Tisch heran, wo Rosinenkuchen und Zuckerstriezel im hellen Frost sich röteten. Und griff nach einem Stück und fragte nach dem Preis. Bissig und voller Hohn. Sechs Kopeken kostete ein Stück. Es sei jüdischer Wucher, Blutsaugerei – sagte die Wassilowa und legte einen Rubel auf den Tisch

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Sternbach: Wenn die Schakale feiern. Weckruf-Verlag, Weimar 1917, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SternbachWennDieSchakaleFeiern.pdf/34&oldid=- (Version vom 1.8.2018)