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dessen Blüthe so abscheulich stinke, daß es alle die daran riechen, vergifte. Und auf gleichen Fuß schreibet auch Lucretius.

Est etiam in magnis Heliconis montibus arbos,
Floris odore hominem retro consueta necare.

 Lib. 6.[WS 1]

Hingegen war Ctesias den wir vorhin angezogen, schon beherzter. Die ächten Critici seiner Zeit hatten ihn sehr scharf mitgenommen, und daher konnte er sich nicht enthalten, wenigstens der Nachwelt ein starkes Denkmal seiner Rache gegen die sämtliche Zunft zu hinterlassen. Seine Meinung ist so klar, daß mich wundert, wie es möglich gewesen, daß die, welche den ächten Criticis ihr Alterthum absprechen, sie nicht eingesehen haben. Denn da er das Ansehen haben will, verschiedene selzame indianische Thiere zu beschreiben, so bedienet er sich unter anderm folgender merkwürdigen Worte: Es giebt hier auch eine Art Schlangen, welche keine Zäne haben, und daher nicht beissen können. Ihr Gespey aber, wozu sie von Natur sehr geneiget sind, ist so beissend und fressend, daß alles worauf es nur fället, so gleich verderben muß. Diese Schlangen werden gemeiniglich an den Bergen gefunden, auf welchen die Edelgesteine wachsen: und sie lassen öfters eine vergiftete Feuchtigkeit von sich, daß wer darab trinket, dessen Gehirn sogleich durch die Naselöcher weggehet.

Es gab noch eine Art Critiker bey den Alten, welche zwar der Gattung nach von den vorgedachten

  1. Lukrez: De rerum natura (Über die Natur der Dinge) VI, 786–787
    Auch auf dem hohen Gebirge des Helikon blühet ein Giftbaum,
    Der durch den widrigen Blütengeruch dem Menschen den Tod bringt.
         Übersetzt von Hermann Diels, 1924
Empfohlene Zitierweise:
Jonathan Swift, übersetzt von Johann Heinrich Waser: Mährgen von der Tonne. [recte: Orell in Zürich], Hamburg und Leipzig 1758, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Swift-Maehrgen_von_der_Tonne-1758.djvu/133&oldid=- (Version vom 1.8.2018)