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Die Operation kostete einen einzigen Schnitt; er öfnete die Blase und ließ die Dünste heraus. Und es würde auch dieses Mittel unfehlbar geholfen haben, wenn nur der Prinz nicht unglüklicher Weise während der Operation gestorben wäre.

Nun wird der Leser vermuthlich sehr begierig seyn zu vernehmen, woher diese Dünste, welche die ganze Welt so lang in Furcht und Warten aufgehalten, ihren Ursprung genommen? Und was für ein verborgenes Treibrad, oder welche heimliche Treibfeder diese ganze grosse Maschine in Bewegung gesezet habe? Man hat nemlich nachher entdeket, daß an der ganzen Sache eine Weibsperson[1] Schuld gewesen; deren Augen dem Prinzen eine gewisse Geschwulst zugezogen, und die sich zum Unglük noch, ehe die Materie einen Ausgang fand, in ein feindliches Land begeben hatte. Was sollte der unglükliche Prinz bey so kizlichten Umständen anfangen? Umsonst versuchte er das von den Poeten in dergleichen Fällen vorgeschlagene Hülfsmittel von Corpora quaeque; denn

[WS 1]

Idque petit corpus mens unde est saucia amore:
Unde feritur, eo tendit gestitque coire.
 Lucret.

Alle friedlichen Bemühungen waren vergebens: Die gesammelten Saamenheilchen fermentirten, wurden

  1. Man hat vorgegeben, es wäre die Prinzeßin von Conde gewesen, in welche sich dieser Monarch verliebt, die sich aber, um ihre Ehre in Sicherheit zu bringen, in die Spanischen Niederlande retiriert.
  1. Lukrez: De rerum natura (Über die Natur der Dinge) IV, 1044, 1051
    1044
    Und der Leib ist sein Ziel, der die Herzenswunde geschlagen.

    Denn wir fallen gewöhnlich auf unsre verwundete Stelle;
    Dorthin schießt uns das Blut, von wo wir die Hiebe empfangen;
    Ist in der Nähe der Feind, trifft diesen der rötliche Blutstrahl.
    Wem nun die Pfeile der Liebe die Herzenswunde geschossen,
    Mag sie ein Knabe versenden, der weibliche Reize zur Schau stellt,
    Oder ein Weib, das die Liebe aus allen Gliedern des Leibes

    1051
    Ausstrahlt, der geht los auf den Schützen und sucht die Verbindung,

         Übersetzt von Hermann Diels, 1924

Empfohlene Zitierweise:
Jonathan Swift, übersetzt von Johann Heinrich Waser: Mährgen von der Tonne. [recte: Orell in Zürich], Hamburg und Leipzig 1758, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Swift-Maehrgen_von_der_Tonne-1758.djvu/211&oldid=- (Version vom 1.8.2018)