Jonathan Swift, übersetzt von Johann Heinrich Waser: Mährgen von der Tonne | |
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Buch geschrieben, sind die Leser und er, alte bekannte geworden, und scheiden daher sehr ungern von einander; so daß ich wahrgenommen, daß es zuweilen mit einer Schrift nicht anders ist, als wie mit einem Besuch, da die Abschieds-Ceremonien länger dauern als der Besuch selbst. Der Beschluß eines gelehrten Werkes gleichet dem Beschluß unsers Lebens, den man etwa mit dem Beschluß eines Gastmals zu vergleichen pfleget. Kaum will einer gerne fort, ut plenus vitae conviva[WS 1], eben wie die Gäste auch nach dem besten Schmaus gern sizen bleiben, sollte es nur seyn, um einen schweren Kopf zu bekommen, und den Rest des Tages noch zu verschlafen. Doch in diesem leztern Stük, bin ich von andern Scribenten sehr unterschieden; und werde hiernächst auch so gar stolz darauf seyn, wenn ich mit meiner grossen Mühe und Arbeit, bey diesen unruhigen [1] und verwirrten Zeiten, zur Ruhe des menschlichen Geschlechts etwas werde haben beytragen können. Wie ich denn auch gar nicht der Meinung bin, daß diese Bemühung von dem Amt und der Pflicht eines sinnreichen Scribenten so sehr entfernet sey, als einige dafür halten wollen; angesehen eine sehr polite Nation unter den Griechen,[2] dem Schlaf und den Musen dieselben Tempel zu bauen und zu widmen pflegten, weil sie glaubten, daß diese beyden Gottheiten die engeste Freundschaft unter sich geknüpfet hätten.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ 938Warum scheidest du nicht als gesättigter Gast von des Lebens
Tafel, du Tor, und genießest die sichere Ruhe mit Gleichmut?
Lukrez: De rerum natura (Über die Natur der Dinge) III, 938
Übersetzt von Hermann Diels, 1924
Jonathan Swift, übersetzt von Johann Heinrich Waser: Mährgen von der Tonne. [recte: Orell in Zürich], Hamburg und Leipzig 1758, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Swift-Maehrgen_von_der_Tonne-1758.djvu/279&oldid=- (Version vom 1.8.2018)