Seite:Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Von Alfred Jensen (1916).djvu/117

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von einer Hexe Gift für die Tochter … Allein es hat keine Wirkung. Einmal begleitet sie die Hannussja zum Baden. Eifersüchtig auf ihre körperliche Schönheit, zieht sie die Tochter in den Teich, wo sie ertrinkt. Ein junger Fischer, der das Mädchen liebte, kam zufällig hinzu, er sprang ins Wasser und rettete den Leichnam des Mädchens. Er ertränkte sich aber aus Verzweiflung. Nun durften die Mädchen dort nicht mehr baden; der Teich ward mit Schilf überwachsen und wenn jemand da vorüberging, bekreuzte er sich. Nachts tauchen Tochter wie Mutter, die ebenfalls ertrank, aus der Tiefe empor und setzen sich an das sandige Ufer, um die langen Haare zu kämmen, während der junge Fischer um sie schwimmt, grünen Seetang auf dem Hemde tragend. Der Wind aber schleicht leise in der Nacht durch den Hain, biegt sich über die Riedgräser und fragt, wer da sei …[1]

In diesem Motiv von der bösen Stiefmutter liegt wahrscheinlich auch eine Andeutung auf die Kindheit Schewtschenkos, die durch die zanksüchtige Stiefmutter getrübt wurde.

Das Russalka-Motiv ist ausführlich in einem Gedicht[2] aus dem Jahre 1846, als Schewtschenko in Kiew war, behandelt. Eine Mutter hat ihr außereheliches Kindchen (bajstrjuk) im Dnipró ertränkt; es wird in eine kleine Wassernymphe verwandelt, die von der Mutter an die Wasserfläche geschickt wird, um den treulosen Vater zu Tode zu kitzeln, damit sie gerächt werde. Die Kleine leistet dem Befehl Folge, sucht aber sechs Tage vergeblich den Vater. Einmal kommt nun die verlassene Mutter selbst ans Flußufer; sie merkt nicht, wie die Dniprótöchter aus den Wellen emportauchen. Sie wird von ihnen erhascht, gekitzelt und in die Tiefe gezogen.

„Und des Fanges froh, dann schrien sie
     auf in tollem Lachen.
Eine Nymphe konnte nur nicht
     mit den Schwestern lachen.“


  1. Übersetzung von Obrist.
  2. Deutsche Übertragung von Julia Virginia („Die Wassernymphe“).