Seite:Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Von Alfred Jensen (1916).djvu/168

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mir, o Gott, Kraft, damit ich mit Feuerzunge rede, um die Herzen der Menschen zu erwärmen und mein Wort wie ein Brand die Ukraine erreiche und sie erleuchte – das göttliche Wort, Weihrauch der Wahrheit, Amen!“

Im Gegensatz zu diesem schauderhaften Kulturbild der Geschichte der christlichen Kirche steht die idyllische volkstümliche und naive Zartheit der biblischen Erzählung „Maria“, die reine Mutterseligkeit der heiligen Jungfrau und die Geburt des Erlösers in innigen melodischen Versen wiedergebend. Aus dem Inhalte genügt es, hier einige Übersetzungsproben anzuführen:

„All meine Hoffnung, mein Vertrauen
in dir, o köstlich Himmelsgut,
in dir, Erbarmerin, nur ruht …
Auf dich allein nur will ich bauen,
du Gnadenhort der Heiligen, Reinen!
Hör mein Gebet und brünstig Weinen,
senk, Himmelsmutter, deinen Blick
auf dieser Elenden, Bedrückten
und Lichtberaubten Mißgeschick!
Versag des Sohnes Marterkraft
zu Kreuzesleiden bis ans Ende,
versag sie ihnen nicht und wende
zu einem gnadenreichen Schluß,
preiswürdige Himmelskönigin,
ihr Stöhnen, ihrer Zähren Guß!
Und wenn das Elend einstens flieht –
und Frühling durch die Dörfer zieht,
dann soll im Psalm dein Lob erklingen
aus stiller, hochgestimmter Brust.
Wenn heut aus jammervollem Dust
zu deinen Himmelshöhn nichts dringen
als bittrer Wehruf mag ohn’ Ende:
vergib es mir, nimm huldvoll auf
der ärmsten Seele letzte Spende!
– – – – – – – – – – –
… Es glimmt der Funke,
urmächtigen Brand erzeugend, auf und läßt
die Lohe ahnen, die dein Blut verzehrt
und dein Gebein. Ach, tot mehr denn lebendig
wirst treten du in deines Sohnes Stapfen.
Schon naht die Zukunft dir und kündet sich