Seite:Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Von Alfred Jensen (1916).djvu/47

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und seine Gedichte seien deshalb um so unheilvoller und gefährlicher. Durch seine in der Ukraine beliebten Gedichte könnten Gedanken gesäet werden von der vermeintlichen Glückseligkeit der Hetmanenzeit sowie die Hoffnung, diese Zeiten möchten zurückkehren und die Idee könnte allmählich Wurzel fassen, daß für die Ukraine die Möglichkeit bestehe, als selbständiges Reich sich zu erheben.“

Zu diesem Rapport fügte der Kaiser eigenhändig hinzu: „Unter strengster Aufsicht, mit Verbot zu schreiben und zu zeichnen.“[1]

Das Urteil wurde am 30. Mai 1847 gefällt. Hulak wurde zu dreijährigem Kerker verurteilt und zu späterer Verbannung in ein entferntes Gouvernement, Kulisch zu viermonatlichem Kerker und hernach zur Internierung in Tula, Biloserskij zur Verschickung nach dem Gouvernement Olonetz und Kostomarow zu einjährigem Kerker, dann zur Internierung in Ssaratow. Schewtschenko aber, den man seiner Teilnahme an einer vermeintlichen Verschwörung nicht hatte überführen können, wurde der strengsten Strafe unterworfen: er wurde zum gemeinen Soldaten in Halbasien degradiert, seine Entlassung aus dem Zwangsdienst wurde auf unbestimmte Zeit verschoben, vor allem aber wurde ihm das Zeichnen und das Schreiben untersagt.

Schewtschenko vernahm das Urteil mit sichtlicher Gemütsruhe und gestand seine Schuld. Allein die Zumutung des Grafen Orloff, daß er dem Kaiser gegenüber des „Undankes“ überwiesen sei, veranlaßte ihn im Jahre 1857 zu folgender Aufzeichnung: „Ich begreife nicht, wieso man zu dieser Erfindung kommen konnte. Ich weiß nur, daß sie mir teuer zu stehn kam.“

Es ist von besonderm Interesse zu erfahren, wie man damals in den maßgebenden literarischen Kreisen Rußlands über dieses Urteil dachte. Bjelinskij, der anerkannte Führer

der liberalen, „abendländischen“ Literaturkritik, schrieb an Annenkoff:[2] „Der Glaube macht Wunder und kann aus


  1. „Russkij archiv“ 1892.
  2. Barsukow: M. P. Pogodin, IX 230.