Seite:Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Von Alfred Jensen (1916).djvu/48

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Eseln und Tölpeln Menschen schaffen; vielleicht kann er sogar aus Schewtschenko einen Freiheitsmärtyrer machen. Aber der gesunde Verstand muß in Schewtschenko einen Esel, Tölpel und Narren sehn und außerdem einen herben Trunkenbold, der seinem zopfigen Patriotismus gemäß den Kornbranntwein liebt. Dieser zopfige Radikale hat zwei Pasquillen geschrieben. Als der Gossudar eine derselben las, lachte er aus voller Kehle und die Sache hätte damit erledigt sein können. Der „Durak“ (blöder Mensch) hätte nicht so viel leiden müssen, weil er dumm war. Aber beim Lesen der zweiten Pasquille geriet der Kaiser in heftigen Zorn … Schewtschenko wurde als Soldat nach dem Kaukasus geschickt. Es tut mir leid um ihn. Wenn ich jedoch sein Richter gewesen wäre, ich hätte immerhin mit gleicher Macht ausgeholt.“

Während der Untersuchungshaft in Petersburg verfaßte Schewtschenko 13 Gedichte, die deutlich zeigen, daß er geistig keineswegs darnieder war und daß er der ungewissen Zukunft ohne Verzagtheit entgegensah, wenngleich er mit Wehmut an die geliebte Ukraine dachte. Sein einziger Kummer bestand in dem Gedanken, daß er „in der Ukraine nicht leben dürfe, um Menschen und Gott zu lieben und daß er dort vielleicht nicht begraben werden würde.“

Mit ergreifender Rührung gedenkt er der verlornen Heimat in dem Gedichte „Bleib bei der Mutter“.

„Bleib bei der Mutter – sprach man immer,
doch du verließest sie, liefst weg,
sie suchte dich auf jedem Steg
und suchte bang und fand dich nimmer
und starb vor Weh. Seitdem jahraus,
jahrein steht leer dein Heim bis heute;
der Hund zog fernhin in die Weite
und ohne Fenster starrt dein Haus.
Der dunkle Garten ward den Schafen
bei Tag zur Weide – und bei Nacht
hält hier der Uhu schreiend Wacht
und läßt die Nachbarn rings nicht schlafen.
Und harrend Deiner, Unbekränzte,
wird von dem Unkraut stumm erdrückt