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Chore wurde eine Aufforderung zum Lobe Gottes dreistimmig gesungen (aus dem 95. Psalm) und darnach wechselweise in gewohnter Weise Ps. 19 mit der Antiphone: „Der Herr gehet heraus wie ein Bräutigam aus seiner Kammer.“ Darauf traten drei Diakonissen auf die Stufen des Chores und lasen die Lektionen: 1. Mose 28, 10–22 und Luk. 2, 1–14 und Ebr. 1, 1–14. Nach den beiden ersten Lektionen wurden Responsorien gesungen, die gleichsam meditierend das wiederholten, was gelesen worden war. Nach der dritten Lektion stimmten wir an: Lobt Gott, ihr Christen, alle gleich etc.

 Nun trat Herr Pfarrer ans Pult und zeigte uns in einer kurzen Ansprache, daß die Dienerin Jesu nicht wird durch irgend eine äußere Geschicklichkeit und Gewandtheit, sondern allein durch ein gottverlobtes Leben. Deshalb habe man uns auch dies Bethaus gebaut. Er hielt uns dann vor, was alles wir in demselben zu erwarten hätten, und kam der Einwendung, daß er uns am Ende zu viel versprochen, durch die Bemerkung zuvor, daß, wenn sich’s um Gottes Wort handelt, die Wirklichkeit immer alle Verheißung und Erwartung übertrifft. Am Schluß sangen wir den 1., 10., 11. und 12. Vers von dem schönen Liede: „Ich steh an Deiner Krippe hier.“ Als wir zu dem Vers kamen: „Nehmt weg das Stroh, nehmt weg das Heu“, da sang wieder ein kleinerer Chor dreistimmig bis zu dem letzten Vers: „Zur Seiten will ich hier und dar viel weißer Lilien stecken“, wo wieder die ganze Hausgemeinde einfiel. – Es lautet freilich alles so trocken, wenn ich’s da nacheinander hererzähle, aber es war schön!... Zum erstenmal wurde in diesem Jahr dem ganzen Haus in einem Zimmer beschert, in unserm festlich geschmückten „Familienzimmer“, in dessen Mitte ein glänzender Baum durch die Dornenkrone mit seiner Spitze zur Decke emporstrebte und zwei große Engel mit weißen, sternbesäten Gewändern die Freude verkündigen halfen, „die allem Volk widerfahren ist“...

 Herr Pfarrer Löhe hat mit uns zwei Geburtstagskindern (Schwester Gertrud Hahn feiert mit mir ihren Geburtstag) Kaffee getrunken, d. h. er seine Schokolade und wir, Frau Oberin und die übrigen Schwestern, das andere berühmte Getränk. Es war Zufall, daß Herr Pfarrer gerade im Hause war. Er gratulierte uns ein wenig komisch. Mir wünschte er, daß

Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/103&oldid=- (Version vom 10.11.2016)