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könnte von seiner ungeheuren Arbeitslast. Und nun hat er auch seine Marianne nicht für seinen persönlichen Dienst. Das tut mir gar zu leid. Wir sind alle in ehrfurchtsvoller Ferne. – Aber denk nur, dieser Tage hat er zu einem fremden Herrn, der uns besuchte, gesagt, ich sorge für ihn wie eine Tochter, ich solle drum auch einen Segen haben, einen Vatersegen. Das hat mich sehr glücklich gemacht, daß ich einen Vatersegen haben soll.

 Marie kommt jetzt bald in Ferien. Ich freu mich recht. Ich will sie dann recht pflegen. Ich wüßte Dir noch viel zu erzählen, aber ich darf nicht mehr. Laß Dir gute Nacht sagen, meine herzliebste Mutter, und Dich im Geiste küssen und umarmen.

Deine dankbare Tochter Therese.


An die Mutter.
Neuendettelsau, den 10. August 1869

 Meine liebste Mutter, wir bitten Dich herzlich hieher zu kommen. Dann sind wir doch alle drei beisammen. Marie könnte wohl im Rückweg mit Dir zusammen sein, aber ich nicht, denn wir haben in wenigen Wochen Prüfung. Da kann ich vorher nicht fort. Ich freu mich so, wenn Du kommst. Diesmal soll es gewiß gemütlicher werden, auch mit dem Logieren. ...Wenn das Wetter nicht gar zu schlecht ist, dann ist der Weg von Schlauersbach her nicht zu anstrengend für Dich – und es ist so am einfachsten. Wir werden also am Donnerstag um 4 Uhr in Schlauersbach sein, wenn Du nicht mehr schreibst. Ist das Wetter zu schlecht, dann erwarten wir Dich nicht. Wir könnten Dir auch mit einem Einspänner entgegenfahren. ...Ich freute mich schon immer darauf, was ich Dir alles zeigen werde, meine liebe, liebe Mutter.

 Denke Dir, Herrn Pfarrers Enkeltöchterlein in Nürnberg ist gestorben – Helene (Löhe) hieß es. Es gedieh so prächtig, daß es eine Wonne war, und plötzlich bekam es die Brechruhr und starb. Herr Pfarrer ist dort. Heut ist die Leiche. Herr Pfarrer wird wohl erst Ende der Woche kommen, weil er mehrere Diakonissenstationen visitiert...

Deine dankbare Tochter.


Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/182&oldid=- (Version vom 20.11.2016)