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und geistlicher Erfrischung. Am 13. darauf ist dann eine Einsegnung von zehn Schwestern...

 Wir gehen in Herrn Rektors Abwesenheit ins Dorf, wo Herr Vikar Pöschel predigt, der sehr treu ist und auch für die Kranken in der Gemeinde mit viel Hingabe sorgt. Herr Pfarrer Weber wird heute aus Bad Salzungen zurückerwartet. Es scheint ihm nicht viel besser zu gehen, aber es muß eine tiefe Sehnsucht in ihm sein, wieder gesund zu werden. Auch Herr Inspektor Bauer ist erkrankt. Er hat ein ausgesprochenes Herzleiden. So rührt Gottes Hand bald diesen, bald jenen, und einmal kommt’s auch an uns selber. Der liebe Herr Rektor hat mir einen geistlichen Tagesplan gemacht; darauf steht auch eine tägliche kurze Todesbereitung. Dafür bin ich so dankbar. – Gott behüte Dich, meine liebe Mutter!

Deine dankbare Therese.


An die Mutter.
Neuendettelsau, den 11. September 1874

 Meine liebste Mutter, ...mir steht nun eine große Freude bevor. Denke nur, ich darf nächsten Montag mit Herrn Rektor und Frau Oberin in den Odenwald reisen. Ich dachte zuerst, ich dürfte so etwas nicht annehmen, und habe dafür gedankt. Aber über eine Weile tauchte der Gedanke aufs neue auf, und der liebe, gütige Herr Rektor hat es so gewollt. Das Reisegeld hat mir der liebe Gott so in den Schoß geworfen, daß das auf keinen Fall ein Hindernis ist, und auch meine sonstigen Bedenken erscheinen nicht mehr unüberwindlich. Neben der Freude ist mir schon auch zuweilen ein wenig bang, und ich bitte Dich, liebe Mutter, daß Du doch an mich denken möchtest, daß mich Gott an Leib und Seele behüten möge.

 Heut und gestern hatten wir hier wunderschöne Tage. Es war Schwesternvereinigung und kamen die Schwestern von nah und fern; wir haben miteinander gefeiert und gebetet und auch allerlei besprochen, was fürs Ganze nötig war. Gestern morgen wehte zu unser aller Überraschung eine weiße Fahne vor dem Haus, die Sara in aller Heimlichkeit gemacht hatte. Unser Diakonissenwappen war mächtig groß darauf gemalt und mit blauen Lettern stand darauf: Siehe, der Bräutigam kommt, gehet aus, Ihm entgegen!...

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Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/222&oldid=- (Version vom 20.11.2016)