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VII.


Ueber die Gemüthsbeschaffenheit des regierenden Fürsten von Wied-Neuwied.

Erster Brief.
Neuwied.          

Hier bin ich wieder in dem angenehmen Neuwied, meinem Lieblinge unter den kleinen Städten Deutschlands. Da Du mich aufforderst, mein Theurer! Dir aus meinem Reise-Journale das Interessanteste mitzutheilen; so fange ich mit dieser Stadt an, deren ehemalige Blüte und jeziger Verfall dem Auge des Beobachters vielen Stoff zum Denken darbieten. Durch den schöpferischen Geist des lezt verstorbenen Fürsten Alexanders, ward Neuwied in einem sehr kurzen Zeitraume so zu sagen aus dem Nichts hervorgerufen, und stund da in jungfräulicher Schönheit, angelächelt und bewundert von jedem, dem die Vervollkommnung der moralischen Natur am Herzen liegt, aber auch bitter beneidet und angefeindet von seinen eifersüchtigen Nachbarn.[1] Neuwied war ein unbedeutender kleiner Ort, als Graf Alexander[2] die Regierung antrat. Sein Vater hinterließ ihm nichts, als Jagdzeug, schwere Schulden, und in der Armuth des Ländchens eine schöne Gelegenheit,

  1. Sie nannten es der vielen Religionsparteien wegen, die daselbst freyen Gottesdienst üben, des Lieben Gottes Thiergarten.
  2. Er wurde erst in seinem hohen Alter in den Fürstenstand erhoben.